100 km del Sahara 2010
Abschied von der Normalität
Einige Tage lang lebten wir ausgeklinkt aus dem Alltag. 8 Tage und 7 Nächte, 3 davon im Hotel und 4 in Berberzelten und liefen eine Gesamtdistanz von etwas über 100km in 4 Etappen an vier aufeinanderfolgenden Tagen.
1. Tag: Sonntag, 7. März 2010
Am Sonntagmorgen flogen wir mit Lufthansa von Frankfurt nach Mailand. Der Tunisair-Check-In-Schalter am Flughafen in Mailand war Treffpunkt aller Teilnehmer, dementsprechend laut ging es dort zu. Für die meisten war es nicht der erste Start bei diesem Sahara-Rennen und für die meisten war es auch nicht die Distanz, die Probleme bereiten sollte. Wir waren sehr aufgeregt – die Ungewissheit begleitete wohl jeden Starter während der monatelangen Vorbereitung – was kommt da? Auf was haben wir uns da eingelassen? Wie wird das? Am Ende würde alles anders werden.
Einige Stunden später stiegen ausschließlich Läufer aus der Maschine der Tunisair am Flughafen in Touzeur aus.
Sehr spektakulär wirkte es auf uns, als wir alle von weißen Jeeps am Flughafen abgeholt wurden. Die Reisetaschen wurden auf das Dach gereicht und befestigt. Schon nach 10 Minuten Fahrtzeit kamen wir in unserem Hotel „El Mouradi“ an. Dies ist ein teilrenoviertes Hotel der Mittelklasse mit 144 Zimmern und Aussicht auf die Palmenhaine von Tozeur. Tozeur ist die wichtigste Oase im gesamten Gebiet und eine Stadt mit mehr als 20.000 Einwohnern.
Es wehte ein kühler Wind und die Sonne wärmte nicht so wie in unserer Vorstellung. Das Hotel hat zwar einen schönen großen Außenpool, jedoch traute sich dort niemand hinein, denn der Pool wirkte schon kalt. Stunden vergingen, bis wir endlich unser Zimmer beziehen konnten. Das Zimmer, wir glaubten es kaum, hatte einen Blick auf einen Golfplatz – ein Golfplatz in der Wüste?! Gegen 20.00 Uhr wurde das erste gemeinsame Abendessen mit Bufett eingenommen. Die Teilnehmer, die sich frühzeitig für dieses Event angemeldet hatten, erhielten ihr „Bonus-Geschenk“. Eine große Reisetasche mit dem Aufdruck „100km del Sahara“, einen Trink-Rucksack und einen Schlafsack. Wir haben uns lieber auf unseren eigenen Schlafsack verlassen und konnten deshalb überflüssiges Gepäck im Hotel lassen, denn für die Wüstentage war nur eine Tasche pro Teilnehmer erlaubt und das inklusive Schlafsack!
2.Tag: Montag, 8. März 2010
Welch logistische Meisterleistung muss das gewesen sein, als wir am nächsten Morgen von 30 Jeeps am Hotel abgeholt wurden. Unser Ziel war die Oase „Ksar Ghilane“ von der aus auch die erste Etappe gestartet werden sollte. Wo die Stadt zu Ende ist, beginnt die Sahara. Kupferfarbener Sand und blauer Himmel so weit das Auge reicht.
In Kolonne fuhren wir am größten Salzsee der Sahara der „Chott el Djerid“ entlang. Mit rund 7500 Quadratkilometern nimmt der Salzsee fast die 14fache Fläche des Bodensees ein! Die Chotts teilen das tunesische Staatsgebiet grob in den besiedelten Nordteil und den fast menschenleeren Südteil, der ungefähr genauso groß ist, jedoch auf vielen Karten nicht mehr erwähnt wird. Das Salz des Sees wird als Speisesalz abgebaut. Schon in ca. 30 cm Tiefe stößt man auf Wasser und das ist auch der Grund, warum man abseits des Damms nicht fahren sollte – der Wagen oder das Motorrad würde einsinken. Auch zu Fuß sollte das Chott nicht durchquert werden. Hier machen wir einen kurzen Halt zum fotografieren. Wie wir später erfahren, bietet der Veranstalter jährlich im September einen Marathon auf dem Salzsee an.
Auf der ca. 3stündigen Fahrt zu der Oase passierten wir weite, ebene Sandfelder und die Fahrspur war teilweise vom Wind zugeschüttet. Auch die aufgestellten Schutzpalisaden halfen hier kaum, ganz im Gegenteil, gerade dort türmte sich der Sand an den Hindernissen meterhoch auf. Die Oase und ehemalige Wüstenfestung der Franzosen „Colonne Leclerc KSAR GHILANE “ ( alte Schreibweise „Ksar Rhilane“ ) mit einem arthesischen Brunnen und einer Bademöglichkeit liegt am Rande des großen Ergs, einer gewaltigen Dünenlandschaft, die sich über 300 Kilometer bis zur algerischen Grenze hinzieht. Die Oase beherbergt drei Campingplätze, ein einfaches Hotel mehrere Cafés und unzählige Dattelpalmen. Vieles ist hier auf den Tourismus ausgerichtet, denn in der Hochsaison kommen viele Gäste von Djerba, um hier einen Tag mit einem Kameltrip oder eine Nacht im Beduinenzelt zu verbringen.
Nach dem Check-In wurden wir in ein 8 -Personen-Luxus-Zelt eingeteilt. Nachdem jeder Teilnehmer mit Startnummer fotografiert und registriert wurde, erhielten wir noch ein paar Ausrüstungsgegenstände. Eine Blechtasse, Messer und Gabel sowie einen Löffel, was man bei jedem Essen dabei haben musste. Zudem erhielten wir ein Funktionsshirt -mir wie immer leider viel zu groß- und eine Kappe mit Nackenschutz, die gegen die Sonne schützen sollte. Die Pflichtausrüstung wurde ebenfalls kontrolliert. 1 Trinkrucksack, 1 Feuerzeug, 1 Leuchtstab,1 Rettungsdecke, 1 Trillerpfeife, Salztabletten und: keine Teilnahme ohne gültiges Gesundheitszeugnis!
3.Tag: Dienstag, 9. März 2010 •1. Etappe von Ksar Ghilane bis Camp Bibene (24 km)
Nach einer ruhigen Nacht im Schlafsack und ohne, dass wir durch das Rufen eines Muezzins geweckt wurden, kletterten wir um ca. 06.30 Uhr aus unseren Zelten. Der Himmel war wolkenlos und die Morgensonne blinzelte bereits durch die Palmen der Oase, wärmte aber leider noch nicht. Wir frühstückten ausgiebig und machten uns dann ganz langsam für unsere erste Etappe startklar.
Das Gepäck wurde jeden Tag durch den Veranstalter transportiert und die Taschenabgabe erfolgte bereits um 8.00 Uhr, auch wenn der Start, bis auf den Marathon, erst um 10:30 Uhr erfolgte. Die Walker -vom Veranstalter auf der Startnummer liebevoll Wolker genannt – starteten immer eine Stunde vor den Läufern. So blieb bis zum Start noch viel Zeit für Gedanken. Wir freuten uns auf das Neue, Unbekannte, hatten allerdings auch jede Menge Respekt und Ungewissheit in uns.
Mit lauter Musik und Applaus der Teilnehmer setzte sich der aus 175 Läufer bestehende Pulk in Bewegung – jeder mit unterschiedlichen Zielen: manche wollten eine vordere Platzierung, andere mit Anstand durchkommen. Nur Durchkommen, das war unser Ziel. Nach der ersten Düne nach ein paar hundert Metern verteilte sich das Feld bereits deutlich. Stärkere Läufer gingen in Führung, schwächere Läufer fielen zurück. Wir blieben irgendwo in der Mitte, denn 100 km in 4 Etappen wollten wir uns gut einteilen und die längste Etappe -der Marathon- fand erst am 3. Lauftag statt. Daher wählten wir für die ersten paar Kilometer des Rennens einen zurückhaltenden und beständigen Laufstil. Es war ein besonderes Gefühl, als wir über die Dünen liefen. Das beste Training für diesen Lauf durch die Wüste und Sand war die Simulation in tiefem Schnee, und davon gab es ja in diesem Jahr in Deutschland genügend.
Die Bedingungen waren für alle Teilnehmer gleich. Allerdings ist das Empfinden, ab wann etwas extrem ist, sicherlich bei jedem unterschiedlich. So haben einige Teilnehmer beispielsweise die Weihnachtszeit und die dunklen Wintermonate in privaten Trainingslagern in Fuerteventura oder in Thailand verbracht. Jeder hat seine eigene Art der Vorbereitung. Unser Trainingsschwerpunkt bestand aus Schlafen. Hierfür haben wir zahlreiche Nächte im heimischen Schlafzimmer bei -10 Grad und offenen Fenstern verbracht. Zwar machte uns das krank, doch fühlten wir uns gut vorbereitet – für die Nächte in der Sahara. Gedanklich war Deutschland schon weit, weit weg.
Das Feld hatte sich beträchtlich ausgedehnt, und die meisten waren nun als Einzelkämpfer unterwegs. Vom Leistungsniveau war vom Spitzenläufer bis zum Hobbywanderer alles vertreten, genau wie es die Ausschreibung vorsah. So waren auch die Sollzeiten dementsprechend festgesetzt.
Die gesamte Strecke war sehr gut mit neonfarbenen Fahnen und Wegweisern markiert- Verlaufen war so gut wie nicht möglich. Die Sonnenstrahlen wärmten uns und die Auswirkung der Wärme machte sich bemerkbar. Der Puls stieg kontinuierlich, der Kopf wurde heiß und die Finger schwollen an. Angst mussten wir keine haben, denn ein Rotkreuzwagen, in Form eines Standbuggys, begleitete die Läufer und die Ärzte erkundigten sich nach unserem Wohlbefinden. Obwohl wir keine Zeit zur Akklimatisation hatten, kamen wir erstaunlich gut mit der Hitze zurecht.
Auf der Hälfte der Etappe stand eine kurze Reihe von Läufern, um Wasser an der ersten Versorgungsstation zu tanken. Frische Orangenviertel und isotonische Getränke standen bereit. Trinkwasser stand uns zu jeder Zeit und unbegrenzt zur Verfügung. Zur Kontrolle, dass wir die Stelle passiert hatten, wurde eine Karte abgeknipst. Kay füllte seinen Getränkerucksack mit frischem Wasser, während ich weiterlief. In meinem Rucksack befanden sich ca. 1,5 l Wasser, dies sollte mir reichen.
Weiter gings. Der Wind wurde stärker und langsam wurde uns klar, für was uns die Skibrille vom Veranstalter empfohlen wurde. Der Sand ist rotbraun und fein wie Puder. Der Wind blies den Sand in die Augen, die Atmung wurde schwerer. Die Aussicht von der höchsten Düne entschädigte immerhin für die Härte des Aufstiegs und zeigte uns unser Lager und das erste Ziel. An dieser Stelle waren auch die Fotografen postiert. Dies war schon ein ergreifender Moment und wir waren sehr berührt. Die ersten 23 Kilometer und die erste Etappe war nach 2:44:46 Std. geschafft.
30 Berberzelte waren bereits für die Läufer aufgebaut. Zelt Nr. 28 teilten wir uns für die nächsten Tage mit einem Dänen, zwei Österreichern und einem Bayern. Es stürmte und es war kalt. Es fing zu regnen an – erst ganz leicht, dann immer stärker. Auch der Wind wollte so schnell nicht nachlassen.
Endlich, die erste Dusche – wenn auch nicht so richtig. Die Duschen bestanden aus Plastikbehältern aus denen eiskaltes Wasser rieselt. Bei dem heftigen und kalten Wind, wie er an diesem Tag war, bekam man von den Wassertropfen nicht wirklich viel ab. Wir Frauen hatten einen ganz kleinen Vorteil, wir hatten eine Plastikplane die uns etwas vor den Blicken und dem Wind schützte.
Im Lager befand sich ein Restaurantzelt mit reichlich frischem Essen und Getränken. Nachmittags gab es immer Tee und Kaffee mit Bisquit und abends sogar Rotwein zum Wasser aus der Blechtasse. Leider regnete es unaufhaltsam und irgendwann flüchteten alle aus ihren Zelten in das große Restaurantzelt, welches aber auch bald durchnässte und die Teilnehmer näher zusammenrücken ließ. Welch ein Beginn des ersten Tages. Wie sollte man hier zu Ruhe kommen? 130 Italiener waren laut und überdreht und da wir die Sprache nicht verstehen konnten empfanden wir alles noch viel lauter, von Erholung für das nächste Rennen keine Spur.
Unsere Taschen lagen unter unserem mittlerweile eingestürztem Zelt und wir hatten nur Angst, dass alle unsere Kleidungsstücke durchweichen würden. Die gute Laune war weg. Irgendwann hörte der Regen dann doch auf und der Abend wurde um so schöner. Wüste, so weit das Auge reicht. Eine Hand voll Dromedare, die gemächlich in den Sonnenuntergang trotten. Faszinierendes Licht nach dem Regen und unendlich lange Schatten.
Die erste Nacht im Berberzelt in der Wüste. Überall Sand. Die Gesichter staubbedeckt, die Kleider jetzt schon völlig verdreckt. Sand in den Ohren und im Schlafsack. Das Schlafen in dem offenen und durch den Regen muffig riechenden Berberzelt mit Blick auf die Landschaft vervollständigte die Reise fernab der Zivilisation. Die Toilette war eine sehr individuelle Angelegenheit. Jeder suchte sich sein Dünchen oder Sträuchchen und so kam es, dass man nachts schon die eine oder andere Taschenlampe wie ein Glühwürmchen zwischen den Dünen aufblitzen sah.
4. Tag: Mittwoch, 10. März 2010 •2. Etappe von Camp Bibene bis Bir el Ghif (ca. 16 km)
Tagsüber ist es zwischen 22 und 31 Grad warm, nachts fällt die Temperatur empfindlich ab. Und dann steht man einfach auf und bewegt sich ein bisschen und wartet bis zum Frühstück, schluckt seine Salztabletten, packt die Tasche und wartet auf den Start um 10:30 Uhr.
Jeder nimmt sich heute vor, es ruhig angehen zu lassen und dies als entspannende Etappe vor dem morgigen Marathon zu nutzen. 16 km, das sollte ja wohl kein Problem darstellen. Der Startschuss fällt und alles rennt los – und wir natürlich mit. Es geht gleich wieder die Dünen hoch und runter, der Sand wird mit jedem Schritt weicher.
Die Füße werden heiß. An der Getränkestation laufen wir vorbei, das Wasser in den Rucksäcken reicht für diese kurze Etappe. Wir überholen die Dromedare, die unsere Walkergruppe begleitete und die Nachhut bildete, dann überholten wir die Walker. Diese waren immer gut drauf und bejubeln jeden, der an ihnen vorbeikam. Die Kilometer verflogen, wie schön, wenn man dann aus der Ferne das Lager und das aufblasbare Marathontor sah.
Im Ziel gab es immer frische, saftige Orangen – wie gut die nach so einem Lauf und dann noch in der Wüste schmeckten, das muss man selbst erlebt haben. Es war angenehm warm und wir wollten uns eilen, unter die „Dusche“ zu kommen.
Wie verbrachten wir den Rest der Zeit? Mit fotografieren und Fußpflege. Gegen 14:00 Uhr gab es Mittagessen. Zu jeder Mahlzeit wurden Nudeln oder Reis gereicht. Wir waren müde, wollten uns aber nicht hinlegen, da wir bedenken hatten, wir könnten dann die Nacht nicht durchschlafen. Also hielten wir uns mit Gewalt wach. Wir richteten unsere Rucksäcke und Laufsachen für den morgigen Marathon – bloß nichts vergessen – sehr groß war der Respekt vor der vor uns liegenden Etappe.
Ein weitere Herausforderung waren die immer mehr und größer werdenden Blasen an den Füssen. Diese sollten zu keiner Zeit unterschätzt werden. Wir trugen zum Glück Gamaschen über den Schuhen, um den Sand herauszuhalten; aber die Füße fingen dennoch an zu schwitzen. Kay jedoch hatte mehr Glück als ich und kam ohne eine einzige Blase durch das gesamte Rennen. Im Lager war ein Sanitätszelt aufgebaut und das Haupttagesgeschäft der Ärzte war die Behandlung von Blasen. Blasen können so schmerzhaft werden, dass sie einen zwingen, das Rennen abzubrechen. Ich wollte nicht dazugehören. Daher nahm ich mir nach jedem Rennen sehr viel Zeit für die eigene Fußpflege.
Ich habe die Blasen aufstechen müssen um etwas Druck abzulassen, anschließend noch etwas Fußpuder darauf. Der Rest des Tages lief ich nur noch mit Flip-Flops durch das Lager, damit genügend Luft an die Füße kommt – egal wie kalt diese im Laufe des Abends wurden.
5.Tag: Donnerstag, 11. März 2010 •3. Etappe von Bir el Ghif nach Bir Lectaya- der Marathon (42 km)
Die Läufer wurden auf Basis der Ergebnislisten der Vortage in 3 Startgruppen aufgeteilt; die Langsamsten starten als erste Gruppe.
•Start der 1. Gruppe um 8.30 Uhr
•Start der 2. Gruppe um 9.30 Uhr
•Start der 3. Gruppe um 10.30 Uhr
•Die Walker starten um 9.30 Uhr auf etwa der Hälfte der Strecke
Die Nacht war grausam. Es war die schlimmste Nacht der ganzen Woche und das vor dem Marathon. Ich wollte am liebsten gar nicht an den Start. Wir konnten kein Auge zumachen, dafür schliefen andere in unserem Zelt umso besser und rodeten Österreichs Wälder nieder.
70 Läufer starteten in der 1. Gruppe um 8:30 Uhr, dies war auch unsere Gruppe und wir waren froh so früh starten zu können. Unsere Strategie, diese heutige Etappe zu meistern, unterschied sich kaum von der eine 10-km Trainingsstrecke zu bewältigen. Wir würden lediglich einen Fuß vor den anderen setzen – und nicht anhalten, bis wir die Ziellinie überquerten – hoffentlich. Die Zeit scheint in endloser Ferne zu liegen. Kay und ich sind ein tolles Team. Kay läuft mein Tempo, gibt mir im richtigen Moment meine Ride-Shots und spornt mich an, wenn ich mich gerade mal wieder hängen lassen will. Er machte Fotos während des Laufens.
Wir suchten uns den besten Untergrund zum Laufen. Die Streckenführung ließ zum Glück individuelle Vorlieben zu, wir durften nur die Markierungsfahnen nicht aus den Augen verlieren. Ständig mussten wir über Sträucher springen oder in den Dünen herum klettern. Die Füße schmerzten unter dem heißen Sand. Bergab waren die Schmerzen am schlimmsten, da meine Füße nach vorne rutschten und meine Zehen gegen die Vorderseiten der Schuhe pressten. Unsere Trailschuhe haben wir zum Glück zwei Nummern größer gekauft, denn meine Füße schwellen bei der Hitze in ungeahnte Dimensionen an.
Die Temperatur ist heute deutlich höher als die letzten Tage. Entlang dieser Naturkulisse begegnen uns Kamele sowie Gruppen, die die Wüste auf Motorrädern oder in Geländewagen durchqueren. Einige bieten uns etwas zu trinken an, andere Winken uns zu und sind so begeistert von uns Wüstenläufern, dass sie uns fotografieren wollen.
Die Wüstenstrecke beinhaltete alle Arten von Quälereien. Angefangen von knallharten Schotterstrecken, wo spitze Steine sich durch die Sohle der Laufschuhe in die Füße drückten, bis hin zu den kräftezehrenden, meterhohen Sanddünen. Kilometerlang liefen wir immer nur geradeaus an einer Pipelinepiste entlang – dieses Stück lief man nicht nur mit den Füssen, sondern vor allem mit dem Kopf!
Bei Km 30 stand ein Geländewagen, ein paar Journalisten machten Fotos, auch Wieland, der Fotograf und Reporter von der Zeitschrift Running schoss ein paar Bilder von uns – dies war eine willkommene Abwechslung.
Doch wir hatten unser Ziel fest im Auge. Wir liefen und liefen, spulten einen Kilometer nach dem anderen ab. Motivierend war das Gefühl, das Feld der 1. Startgruppe bis ans Ziel anzuführen und sich dabei wie ein Sieger zu fühlen, was natürlich im Gesamtergebnis Platz 94, mit einer Zeit von 4:41 Stunden, bedeutete. Der letzte Läufer kam nach 9:18 Stunden ins Ziel. An diesem Abend gab es eine Sektdusche für den Sieger des Marathons und für uns Sekt aus Plastikbechern – den hatten wir uns alle verdient.
6.Tag: Freitag, 12.März 2010 •4. Etappe (ca. 23 km Zeit: 2:24:31 Std.)
Es ist unglaublich, keine Anzeichen von Muskelkater. Wir spürten noch viel Kraft in unseren Beinen und diese würden wir auch brauchen, denn dies war nicht nur die letzte, sondern auch die härteste Etappe. Der tiefe Sand zehrte an den Kräften. Man kam nie richtig voran, weil man immer mit den Füssen einsackte.
Das Ziel rückt unaufhaltsam näher. Das Feld hat sich längst in riesigen Abständen verteilt. Mein Herz raste – aber aus Freude, nicht aus Überanstrengung. Wir konnten unsere Hochstimmung nicht bremsen, wir liefen Hand in Hand ins Ziel. Dort bekamen wir unsere Medaillen und ein „Finisher-Shirt“ sowie frische, süße Orangen!
Der Zieleinlauf war am Eingang zum Hof des 4 Sterne Hotels „Sahara Douz“ und einige Hotelgäste staunten nicht schlecht, als sie die humpelten Läufer sahen. Wir nahmen unsere Taschen und endlich die erste heiße Dusche nach Tagen. Die letzten Tage haben wir uns zwar ein weiches Bett gewünscht – geschlafen wurde aber im Schlafsack im Berberzelt. Nun endlich ging der Wunsch in Erfüllung und wie schön es ist, frisch geduscht in weißen Bettlaken einzuschlafen, das wissen wir nun ganz besonders zu genießen. Sogar das gute Mittagessen im Hotel haben wir verschlafen.
Gegen 20:00 Uhr steht ein Abschiedsabend in Form eines Saharafestival auf dem Programm. Der Festivalplatz war nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt. Eine halbe Stunde dauert das Spektakel, das von folkloristischen Darstellungen alle Aspekte des Wüstenlebens darstellte. Anschließend gab es ein typisches tunesisches Abendessen. Im Anschluss erfolgte, sehr groß aufgezogen, die Siegerehrung. Der Deutsche, Thomas Wittek, gewann in einer Gesamtzeit von 8:12:33 das Rennen. Die Italienerin Daniela Gilardi wurde mit einer Gesamtzeit von 8:38:33 erste Frau. Eine besonders schöne Idee war auch die Ehrung für verschiedene Leistungen. So wurde z.B. ein Walker, der ebenfalls wie die Läufer, die komplette Strecke zurücklegte, geehrt. Ein Ehepaar, welches seine Flitterwochen so verbrachte und der Teilnehmer mit der weitesten Anreise – er kam aus Australien! Als Pokal wurde eine große Sandrose auf einem graviertem Holzboden überreicht. Wir belegten Rang 105 und ich Rang 8 der Frauen mit einer Gesamtzeit von 11:17:27 Stunden.
7.Tag: Samstag, 13.März 2010
Am nächsten Tag hatten wir bis zur Abfahrt noch viel Zeit und wollten uns die Oasenstadt Douz anschauen, um vielleicht ein paar Andenken zu kaufen. Der Ort hat ca. 43 000 Einwohner. Das Zelt Nr. 28 nimmt sich gemeinsam ein Museumsbesuch vor. Das Sahara-Museum. Hier gibt es einiges zur Kultur der Sahara-Region.
Wir fahren mit dem Taxi ein paar Minuten zum zentralen Marktplatz. Dies ist ein großes, ruhiges Viereck mit Bäumen und Tamarisken, umschlossen von Arkaden mit ein paar Cafés, den Lädchen der lokalen Händler und Handwerkern.
Es gibt ein Warenangebot vielfältigster Art, u.a. Alltagskram, Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Gewürze, Obst und Gemüse (Spezialität der lokalen Schuhmacher: farbig bestickte Saharaschuhe aus Ziegen- bzw. Kamelleder, die für Besucher auf Wunsch über Nacht nach Maß gefertigt werden). Ein langgezogener Innenhof an der Südseite des Platzes ist dem Verkauf von Datteln vorbehalten.
Der Markt ist reine Männersache. Je nach Jahreszeit in weiße „Djellabahs“ oder eingehüllt in dicke, braune Kapuzenmäntel, den Kopf mit dem „Chech“ umwickelt, hocken die Männer debattierend am Boden und vor den Cafes.
8.Tag: Sonntag, 14.März 2010
Um 6:45 Uhr Abfahrt mit Jeeps zum Flughafen. Um 14:14 Weiterflug nach Mailand. Um 16:15 Ankunft in Frankfurt am Main bei Nieselregen und 5 Grad.
Resümee:
„Nicht Menschen machen Reisen, Reisen macht Menschen“ sagte bereits der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck. Und er meinte damit ganz bestimmt nicht die Pauschal-Nummer „all inclusive“. Man muss schon mal an seine Grenzen gehen, die Komfortzonen des Alltags verlassen und die Selbsterfahrung zulassen, um in Gegenden vorzustoßen, die man noch nicht kennt, weder an sich selbst, noch in der Welt.
Wettläufe enden am Ziel. Das Laufen nicht.
-Ein unbekannter Läufer-
Teilnehmer aus folgenden Nationen:
Australia 1, Austria 2, Denmark 1, Germany 2, Italy 128, Mexico 2, Spain 4, Switzerland 5, United Kingdom 8, United States 4
Auch diesmal möchten wir uns wieder bei interAir GmbH Sport- und Incentive-Reisen für die gute Betreuung und die Empfehlung des italienischen Reiseveranstalter ZITOWAY Sport & Adventure & Terramia Tour bedanken.
Ganz besonderen Dank gebührt Schuhmachermeister Ketzel aus Neu-Isenburg. Mit viel Mühe und Geduld hat er es geschafft, das Klettband für unsere Gamaschen an die Laufschuhe zu nähen. Sein handwerkliches Geschick hat den Sand aus unseren Schuhen fern gehalten.