Andrea Helmuth

Andrea Helmuth

Frankenweg-Lauf 2012

Gescheidgut

 

Steter Tropfen höhlt den Stein. Zwei Stunden sind wir nun schon unterwegs. Es geht über Berge, Täler, Schluchten und Höhlen. Es ist mehr als einhundert Millionen Jahre her, dass sich hier die Meereswellen im Wind brachen. Wie Nadeln in einem Nadelkissen stehen die Felsen an denen wir vorbei laufen. Die Augen nehmen dies alles noch wahr… die Ohren hören das Rauschen des Waldes, den Gesang der Vögel und das Pulsieren des Blutes bei jedem Atemzug. Die Gedanken genießen die Freiheit und schweifen ab.

 

 

Plötzlich: Klick, Klack. Metall auf hartem Fels. Karabiner werden in die Wand geharkt. An den mächtigen Überhängen der Felsen können wir die durchtrainierten Kletterer beobachten. Kurz danach kehrt wieder Ruhe ein, als wäre nichts gewesen. War vielleicht auch nichts? Bin ich schon wieder im Runners High?

Immer auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Event führt uns der Zufall heute in unsere heimische Wildnis. Uns erwartet keine hochpolierte Designertour mit einer Lifestyle-Pastaparty am Vortag der Veranstaltung. Mit 140 Stundenkilometer in 2,5 Stunden über die Autobahn und wir sind im Paradies, um das uns die ganze Welt beneidet: die Schweiz. Nicht die mit dem teuren Franken, ich meine die mit den EUROs. So kann man in der Fränkischen Schweiz zumindest in der Illusion leben, die Schweiz sei doch gar nicht so teuer.

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Die fränkische Mentalität – trocken wie ihr Wein?

Sie werden als schnoddrig, launisch und verschlossen beschrieben. Wer jedoch wie wir aus Hessen kommt, wird sie als freundlich, offen und liebenswert erleben. Die Startnummernabholung erfolgt für die Marathonläufer erst eine Stunde vor dem Start. Schon der Weg dorthin bringt einen das erste Mal außer Atem. Am Waldrand, oberhalb der Muschelquelle ist das Transparent „Start“ über den schmalen Weg gezogen.

Herbert Peter, der Organisator, erklärt mit wenigen Worten was auf uns zukommen wird. Die Kleiderbeutel werden in den bereitgestellten Transporter gelegt und wer noch eine Toilette benötigt, der geht halt in den Wald. Zuschauer: Keine. Es ist soweit. Mit vielen schnoddrigen, launischen und verschlossenen Mitläufern und noch einigen Läufern aus den anderen Bundesländern, stehen wir am Start.

„Franken bewegt sich – Laufen Sie doch auch mal wieder!“

Seit 2003 bewirbt das Team vom Naturpark Fränkische Schweiz das Naturparadies in Deutschland. 2009 hatte Herbert die Idee für diesen Lauf. Den „Fränkische Schweiz Marathon“ gibt es bereits. Dieser wird jedoch ausschließlich auf Asphalt mit einem Hin- und Zurückkurs ausgetragen. Die umliegenden Gastwirte sind darüber nicht sehr erfreut, bleibt ihnen doch für die Zeit der Streckensperrung die hungrige und durstige Kundschaft aus.

Herbert hat Erfolg mit seiner noch jungen und spektakulären Trailrunning-Veranstaltung. Jedes Jahr steigen die Anmeldungen für diesen Volkslauf. Das angestaubte Image der „Fränkischen Schweiz“ ist bei der Jugend etwas aus der Mode geraten. So wirkt auch Streitberg, eines der ältesten Kurorte der Fränkischen Schweiz – ein verlorener Traum aus besseren Tagen. Ein zauberhafter Flecken.

Noch ahnen wir nicht was auf uns zukommen wird und wissen nicht, wie viele Höhenmeter uns erwarten werden. Fest steht, dass wir von hier bis nach Obertrubach laufen werden. Dabei laufen wir einen Teil des Naturparks Fränkische Schweiz und das auf Qualitätswegen. Denn der Frankenweg trägt das Prädikat „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“.

Naturgenuss in schöner Landschaft ist in Deutschland immer schwieriger zu finden. Müll, Autos und Verkehrslärm haben sich an zu vielen Orten ihren Weg in die Wälder und Auen gebahnt. Der Deutsche Wanderverband hat einen Kriterienkatalog bei dem der Untergrund des Weges, Markierungen, landschaftliche Besonderheiten und kulturelle Attraktionen überprüft werden. Führt ein Pfad an einer Starkstromleitung entlang, bedeutet dies Punktabzug; werden mehr als drei Prozent der Strecke von Autos befahren und ist weniger als ein Drittel naturbelassen, so erhält die Gegend kein Zertifikat. Bislang haben das Gütesiegel nur der Eggeweg in Nordrhein-Westfalen, der Kellerwaldsteig in Hessen und der Frankenweg erreicht.

Start

Bereits nach etwa 100 Metern erreichen wir die Muschelquelle. Der Ort war einer der Lieblingsplätze der Kletterlegende Kurt Albert. 2010 fand hier die offizielle Abschiedsfeier für ihn statt. Eine Bild und einige kurze Stücke von Seilen und Karabinern erinnern an ihn. Nach einem anfänglichen auf- und ab wird die Strecke recht schnell zum Trail und steiler. Die ersten Läufer sind schon nicht mehr in Sichtweite, wir anderen schrauben uns schneckenförmig nach oben. Zu hören sind nur der Atem und das Zwitschern der Vögel dazwischen das Gelächter einiger Läufer, später, so viel sei verraten, wird es ruhiger werden.

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Orientierungsvermögen und Improvisationstalent ist nicht nötig, denn der Frankenweg ist ein professionell ausgeschilderter Wanderweg. Bereits Tage vor dem Marathon war Herbert auf der Strecke unterwegs um die Beschilderung vorzunehmen. Wer sich hier verläuft ist selbst schuld oder sollte beim nächsten Mal lieber eine Brille aufsetzen. Wobei diese auch nicht nötig ist, denn die Schilder sind bereits von weitem gut zu erkennen. Teils sind es die Originalschilder des Frankenwegs, teils zusätzlich angebrachte DIN A4 Blätter und das etwa alle 50 – 100 Meter.

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Kurz vor KM 5 ist Neudorf erreicht. Ein schöner Morgen. Hier bei Neudorf weht der Wind durch die Wipfel. Windböen wogen über die Kornfelder. Es ist ein schöner Weg, hinunter nach Muggendorf.

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Zwischen Kilometer 6 und 7 laufen wir am Ortsrand von Muggendorf. Im Jahr 1632 wurde Muggendorf niedergebrannt und die Dorfbewohner haben sich mit Kind, Kegel und dem wertvollen Vieh für mehrere Jahre in der „Oswaldhöhle“ verschanzt, zu der wir nun über den Dooser Berg aufsteigen. Recht schnell bekommen wir am Körper zu spüren, warum man dies auch das „Muggendorfer Gebirg“ nennt. Über Wurzeln und Steinstufen, schon fast wieder vergessen, sind wir plötzlich am Eingang der Höhle durch die wir jetzt hindurch müssen.

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Weitläufig ist er nicht, der Gang in der Höhle aber immerhin doch 63 Meter. Schon nach einigen Schritten ins Innere verändern sich die Geräusche von draußen, das Licht dämmert weg. Die Augen brauchen einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Die Feuerwehr, so hieß es, würde die Höhle ausleuchten damit keiner aufgrund der geringen Deckenhöhe einen unfreiwilligen Scheitel gezogen bekommt. Die Beleuchtung, nicht mehr wie der Schein eines Teelichtes, unterstreicht das außergewöhnliche Szenario. Jetzt stecken wir mitten drin, in einem deutschen Abenteuer. Drinnen, ist es kühl und etwas rutschig.

Himmel, wie schön kann die Hölle sein

Hier könnte er schlummern, der Teufel mit seinen drei goldenen Haaren. Kurz genieße ich den Augenblick bevor ich mich dem Ausgang nähere. Ich atme tief durch bevor wir weiter aufsteigen. Eine Gedenktafel an der Höhle erinnert an die ersten Höhlenforscher. Auch Reste einer Schutzmauer aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs sind zu erkennen.

Am Ende der Höhle erkennen wir die Reste einer langen Nacht von einem gutem Dutzend Studenten, die wahrscheinlich durch die vor uns Laufenden geweckt wurden. Wie das so ist in diesem Alter, lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen und so werden erst einmal anständig die Zähne geputzt. Die hätten sich ein schlechteres Fleckchen aussuchen können.

Nun laufen wir vorbei an skurrilen, moosbewachsenen Felsen durch einen wahrhaftigen Märchenwald. Seit Urzeiten ist diese Gegend besiedelt; Hänge boten Schutz vor Hochwasser, Bergkuppen vor ungebetenen Gästen. Wer im fünften vorchristlichen Jahrtausend dort umherstreifte oder siedelte, weiß man heute nicht mehr. Das wir hier herumstreifen wird man noch in vielen Jahren nachlesen können – in der Ergebnisliste.

Abkürzung

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Etwa bei Kilometer 10 kommen wir aus dem Wald. Die Beschilderung gibt uns die Richtung nach rechts vor. Trotzdem sind wir für eine Sekunde stutzig. Laufen links nicht eine ganze Menge Läufer? Tatsächlich ist das so. Diese haben jedoch die kleine „Schlupp“, wie wir Hessen sagen, bereits gelaufen. Die „kostet“ uns etwa so 10 Minuten, schätzen wir, führt uns dafür aber auch wieder an einem Highlight vorbei.

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Hier wäre es ein leichtes, einfach nach links abzubiegen und die (Hochdeutsch) „Schleife“ einfach mal zu „vergessen“. Keine Matten, die die Durchgangszeiten registrieren, keiner da, der sich unsere Nummern notiert. Aber, die, die hier laufen, wollen 42 Kilometer und keinen Kilometer weniger!

Wieder ist eine Verpflegungsstelle erreicht. Wie bei den vorherigen stehen einige Wasserflaschen und einige Pappbecher auf einem Festzelttisch. Daneben der „gelbe Sack“. Das war´s – mehr braucht´s auch nicht. Nun verstehe ich auch was in der Ausschreibung stand: „Eine Zusatzversorgung für die Laufstrecke wird in Eigenregie empfohlen“. Wir haben genügend „Ride Shots“ dabei aber noch benötigen wir keine zusätzliche Energie in Form von Kohlehydraten. Man wird uns hier aber nicht verhungern lassen, ab Kilometer 15 erhalten wir zusätzlich auch „PowerBar“ Riegel und Gels, Bananen, Cola und alkoholfreies Bier.

Etwa bei Kilometer 11 befindet sich, auf einem Jurabergkamm gelegen, der Ort Engelhardsberg. Er wirkt, als wäre hier die Zeit stehengeblieben. Die einzigen, die es eilig haben sind wir. Es gibt nur wenige Häuschen. Am Ortsrand wird gerade ein Neubau fertiggestellt. Er hat große Fenster, einfach ideal bei diesem Panorama. Ich beneide die, die hier einziehen werden.

An einem alten Haus sind Hühner mit Eierlegen beschäftigt, die Kirschbäume tragen üppige Früchte und über die schmale Straße läuft eine kleine graue Katze – groß genug, um vor uns mit ihrer erbeuteten Maus zu protzen. Bewohner sind keine unterwegs, die sind wahrscheinlich alle in der Kirche.

Am Ende des Dorfes wieder ein Laubwald und sagenumwobene Felsgebilde. Warum beschleicht uns an manchen Orten ein so merkwürdiges Gefühl? Vielleicht waren sie Schauplätze historischer Tragödien, Kultstätten für Rituale, oder auch Quellen unergründlicher Kräfte und Magien? Was oder wer wurde vielleicht dort den Göttern geopfert. Der Gedanke treibt mir die Gänsehaut und Schauer über den Rücken. Jedoch nur bis ich das Schild entdecke: „20 Minuten Aufstieg bis zur Riesenburg“. Der Schauer ist verschwunden. Willkommen in der Realität.

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Ich habe die Serpentinen nicht gezählt, auf denen wir uns bis zur Höhle unter der Riesenburg hochschrauben. Verwunschen, schluchtenähnlich ist der Weg. Immer wieder geht es auch an kleinen Höhlen entlang und immer wieder vorbei an moosbewachsenen Felswänden, von denen das Wasser tropft. Rechts und links des Trails wachsen hüfthohe Farne, modert Altholz im Moosmantel, ragen flechtenüberzogene Steine aus dem angenehm weichen Waldboden. Wir haben Glück, dass uns die Natur wenigstens einen schmalen Pfad gelassen hat.

Eine kleine Holzbrücke führt uns über die grüne Wiesent. Für vier Kilometer werden wir nicht von ihrer Seite weichen bis zum Viertälerort Behringsersmühle. Drei kleine Flüsse fließen hier zusammen: Die Wiesent, Ailsbach und die Püttlach, die sich tief in die Berge gegraben haben. Die Wiesent bietet die einzige noch erlaubte Flusswanderfahrt durch die Fränkische Schweiz und ist besonders bei Kanu-Fahrern sehr beliebt.

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Daher erstaunt es uns wenig, dass mit uns, sozusagen auf gleicher Höhe, ein Kanute paddelt. Er hat nicht ganz den sportlichen Ehrgeiz und so kommt es an diesem Vormittag nicht zu einem Wettkampf. Wir hätten auch schlechte Karten, denn es geht ständig flussabwärts. Direkt an der Stempfermühle haben wir Kilometer 19 erreicht und hier verlassen wir den Fluss.

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Nicht laufen, eher steigen wir aus dem idyllischen Wiesenttal hinauf nach Gößweinstein. Während wir langsam wieder an Höhe gewinnen und der Wald im hellen Grün schimmert, hört man aus dem Tal die Wassersportler schreien.

Wallfahrtswege

Weit und breit sind nur vereinzelt Läufer zu sehen. Felsen, wie Steinruinen voller Moos, aus denen Büsche und Bäume herauswachsen. Bevor wir wieder aus dem Wald heraus laufen, heißt es tief einatmen für das bevorstehende Kulturhighlight Gößweinstein. Über die Burgstraße erreichen wir die Burg Gößweinstein.

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Seit über 1000 Jahren wacht die Burg über den Wallfahrtsort. Was jetzt passiert, grenzt schon fast an Kitsch: Noch die Burg mit der Kamera fokussiert, erwarten uns um die Ecke schon die Türme der wichtigsten Wallfahrtskirche der Fränkischen Schweiz – „Die Heiligste Dreifaltigkeit“. Die Kirche wurde im 18. Jahrhundert vom Barockarchitekten Balthasar Neumann erbaut. Die Stadt ist vom Glockengeläut der Basilika erfüllt und mit den Klängen einer Trachtenkapelle, die vom Tal zu uns nach oben hallt, laufen wir weiter. Noch völlig beeindruckt geht es wieder abwärts.

Briefmarkenstadt

Bei Kilometer 22 ist Tüchersfeld erreicht. Es ist der Ort, an dem die Häuser beinahe mit den Felsen verschmelzen. Briefmarkensammler würden das Motiv sofort erkennen. Nur ganz kurz bekommen wir die grauen, knollige Felsensäulen, die Reste eines urzeitlichen Riffs, um das vor zweihundert Millionen Jahren ein tropischer Ozean wogte, zu sehen. Für weitere vier Kilometer geht es nun flach an der Püttlach entlang.

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Der Landkreis Bayreuth mit der Ortschaft Pottenstein ist erreicht. Mir fällt der Pendelbus ein, der Bus, der uns ab 15:00 Uhr zurück zum Start bringen soll. Ich fange an nachzurechnen. Die Zeit ist ausreichend und so müssen wir auch auf der zweiten Hälfte der Strecke nicht hetzen.

1812 also genau vor 200 Jahren taucht der Name „Fränkische Schweiz“ erstmals in einer Beschreibung von Erlanger Studenten auf. Aber bereits 1774 berichtete der Pfarrer Johann Friedrich Espen über Höhlen im Land auf dem Gebürg und lockte damit die ersten Gäste an. Der Beginn des Fremdenverkehrs ist dabei in Pottenstein zu finden. In der ältesten Burg der Fränkischen Schweiz gibt es sogar eine Ferienwohnung zu mieten. Sich einmal wie ein Burgfräulein fühlen an einem Ort, den schon die Heilige Elisabeth als Zuflucht suchte.

Wir werden freundlich darauf aufmerksam gemacht, die Bachforellen, Karpfen oder was immer da im Wasser schwimmt, zu fotografieren. Ich erkenne nichts, aber vielleicht bin ich aber auch nur zu müde, um noch etwas klar erkennen zu können. Grund dafür ist meine gestörte Nachtruhe im Sporthotel, welches bis vor kurzem noch eine Jugendherberge war. Nicht überall wo Sport drauf steht, ist auch Sport drin – oder es kommt auf die Perspektive an. Hier haben viele Geister das Sagen, in Form von Hochprozentigem. Nach einer Bierprobe kann die Diskussion darüber auch schon mal bis morgens um 3:00 Uhr hitzig, leider aber direkt vor unserem Fenster, geführt werden.

Forelle, Karpfen und Co.

28 Kilometer sind gelaufen. Wir kommen an einer Sommerrodelbahn vorbei. Verlockend die Möglichkeit, sich hier einfach mal in so einen Frankenbob zu setzen und gemütlich auf den Berg gezogen zu werden, um sich anschließend über einen Kilometer lang ins Tal zu stürzen.

„Ich See etwas was du nicht siehst“: Ein Tretboot getarnt als feuerroter Buggy und Ruderer auf dem Schöngrundsee. Der „Fischfanatiker“ wähnt sich beim Anblick des Sees am Amazonas und dichtet noch Krokodile und Schildkröten dazu. Auch bei ihm macht sich der Schlafentzug bemerkbar, denn er hat das Gleiche wie wir im Sporthotel durchgemacht. Er hat aber recht, denn die Karpfenteichwirtschaft hat in Franken eine mehr als 1000-jährige Tradition… Meine Gedanken drehen sich im Moment nicht um Fische, eher um das, in dem sie sich bewegen. Ich freue mich jetzt schon auf das Nass, allerdings mehr so in der Form einer kalten Dusche!

Kurz nach Kilometer 29 erreichen wir ein Terrassen-Café. Gierige Blicke, nicht nach uns Läufern, sondern auf die gehaltvollen Tortenstücke auf ihren Tellern.

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Nur knapp zwei Kilometer weiter befindet sich am Steilhang des Weiherbachtals die Teufelshöhle. Wir haben den Touristenmagnet „Teufelshöhle“ erreicht.

Bei Kilometer 33 laufen wir in die kleine Ortschaft Kirchenbirkig. Nach dem Sonntagsgottesdienst wird sich, noch mit dem Gesangbuch in der Hand, an der Dorfgaststätte getroffen.

Jetzt zur Mittagszeit riecht es nach Sauerbraten und Joe´s Zaubertrank. Bier ist hier in Franken Kulturträger und es soll nirgendwo anders so viele Bierbrauereien geben wie hier. Mit 5500 Einwohnern pro Braustätte besitzt Oberfranken die höchste Brauereidichte der Welt. Ich frage mich ernsthaft, warum bekommen wir dann an der Verpflegung nur Wasser? Natürlich nur aus gesundheitlichen Aspekten. Denn Quellwasser galt schon von jeher als Exportschlager. Karl der Große und auch Kaiser Karl IV. sollen die Heilkraft des Wassers geschätzt haben und das aus gutem Grund denn das Wasser sollte „Abhilfe schaffen bei „Lahmigkeit der Glieder, Halßwehe, allerley Zufäll der Nerven, Brüch, Wassersucht, Gelbsucht, auch Unreinigkeit der Blasen und Nieren“. Der Dorfbrunnen, ganz klar, für uns die ideale Verpflegungsstelle.

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Wieder tauchen wir in ein großes Waldgebiet ein. Es folgt ein extrem steiler Aufstieg zur Ruine von Leienfels, bevor es auf breiten Schotterwegen wieder abwärts geht. Dieses Stück wird zur Kopfsache. Geht es so weiter bis ins Ziel? Nein! Natürlich geht es wieder rauf. Eine knappe Stunde und wir werden hoffentlich unser Ziel in Obertrubach erreicht haben.

Leichtfüßig biken zwei Jungs in dreckverschmierten Klamotten den Berg herauf. Sie hüpfen mit ihren Bikes von Stein zu Stein und tänzeln mit den Rädern den Pfad entlang. Stöcke kann man übrigens getrost zu Hause lassen. Wird es richtig steil, dann gibt es an der Strecke Geländer, Trailschuhe würde ich aber dennoch empfehlen, nicht nur bei Regenwetter.

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Sonntagsbergläufer

Der Wind ist kühler geworden. Bei Kilometer 39 geht es nochmals in den Wald. Als ein Läufer, der eben noch fast auf dem Zahnfleisch kroch, sich plötzlich wie von der Tarantel gestochen abwärts in das Ziel stürzt, wünschte ich, ich hätte seine Kniegelenke. Als typische „Ab-und-zu-Sonntagsbergläuferin“ ist mein Körper nicht wirklich gut vorbereitet und die Knie schmerzen.

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1.200 Höhenmeter sind geschafft. S T A R T steht auf dem Banner, welches über den schmalen Waldweg gespannt ist. Eine junge Frau scannt unsere Startnummern ab. Feierabend – das war´s.

Von dem Zielort Obertrubach bekommen wir nichts zu sehen außer dem Bildungshaus. Es riecht nach Bratwurst und Duschgel. Mein Wunsch nach einer kalten Dusche ist erhört. Wir ziehen uns um in einem gemütlichen und warmen Raum mit nur einer einzigen, dafür aber eiskalten Dusche!

Im angrenzenden Haus ist die Siegerehrung schon in vollem Gange. Mir fällt bald die Kaffeetasse aus der Hand, als mein Name fällt. 1. Platz der Altersklasse. Ich bekomme eine Urkunde und ein fränkisches Kochbuch mit dem passenden Titel „Gescheidgut“. Mit einem herzlichen „Ade“ werden wir verabschiedet. Die Rückfahrt (stehend im Bus) lässt uns nochmal spüren, wie lange 42 Kilometer sein können.

Goldgelb glänzt es in der schlanken Flasche, der schäumende kühle Gerstensaft. Genau das richtige für uns durstige Fußreisende. Joe, wir sind uns sicher, heute warst du nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Mein Resümee: Unbekannt, unerwartet, unvergesslich. Jeder sei beneidet, der diesen Weg noch nicht gelaufen hat; denn er hat die Spannung, die Erlebnisse und das liebevolle „geknurre“ der Franken noch vor sich.