Andrea Helmuth

Andrea Helmuth

Frankfurt Marathon 2013

Monopoly to go

 

Eine rote Lampe signalisiert, dass wir auf Sendung sind. Es ist früher Samstagmorgen, noch einen Tag bis zum Frankfurt Marathon 2011. Im Radio läuft „hr3 – pop&weck“. Der Moderator, Gunnar Töpfer, interessiert sich für unser Marathonprojekt: in jedem Bundesland einen Marathon innerhalb eines Jahres – das Ziel war längst erreicht.

 

 

 

Es lief so gut, also liefen wir weiter. Das Bundesland Hessen war bereits im Juni mit dem Hessentag absolviert worden. Das Interview neigt sich dem Ende zu und es kommen die unausweichlichen Frage: „Ihr startet doch morgen beim Frankfurt Marathon, was könnt ihr den Zuhörern mit auf den Weg geben?“

Unsere Blicke kreuzen sich, jetzt nur nichts anmerken lassen. Ganz ruhig sage ich, nein wir laufen morgen Marathon, jedoch nicht in Frankfurt. Kurze Pause. Was ich den Zuhörern mit auf den Weg gebe, ist die Warnung vor den unendlich langweiligen Kilometern auf der Mainzer Landstraße… Schnell bekomme ich noch die Kurve, schwärme von meiner Heimatstadt, dem tollen Publikum an der Strecke und dem weltweit einzigartigen Zieleinlauf in der „Gud Stubb“.

Spiel(er)vorbereitung:

Es war, als hätten die Wettergötter sich verschworen, um den Frankfurter Himmel in ein einziges schwarz zu verwandeln: Regensalven, dunkelgraue Wolken und ein kühler Wind fegten gestern noch über das Frankfurter Messegelände, auf dem die Marathonmesse stattfand – von Marathonvorfreude keine Spur. Ganz anders dagegen die Stimmung in den Hallen: 40.000 Läufer (in drei Tagen) schieben sich durch die vielen Messestände von Sportbekleidung, Stadt- und Landläufen. Die angebotenen Läufe teils Stadtläufe, teils extreme Landschaften. Gegen den Sonnenscheinoptimismus, den Duft von Kaffee, Bratwurst und neuen Laufschuhen, der die Messehalle durchströmte, kamen aber weder das Frankfurter Sauwetter noch die dunklen Wolken am internationalen Marathonhimmel an.

Dem Charme von Lother Leder bin ich erlegen und er ist sicher froh, seinen Ladenhüter verkauft zu haben. Stimmung auch bei der HR-Liveübertragung der Pasta-Party. Viele nutzten aber auch schon am Freitag die kurzen Wege von ihrer Arbeitsstelle zum Messegelände. Perfekt sitzender dunkler Anzug, gebügelt und gestärktes Hemd mit Manschettenknöpfen und einem perfekt sitzenden Scheitel. Stilistisch unpassend hängt der weiße Plastikbeutel über der Schulter und üblicherweise würde die Tüte in der Ledertasche versteckt werden. Heute zeigte der gut gefüllte Beutel jedoch allen: Ich gehöre dazu, ich bin dabei.

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Wir waren schon einige Male dabei, ist aber auch schon ein paar Jahre her. Viel hat sich seitdem verändert, nicht nur die nun viel schönere Streckenführung. Frankfurt beeindruckt gleich mit neun der zehn höchsten Gebäude in Deutschland und wächst und wächst und das nicht nur nach oben. Die Stadt wird immer schöner, immer interessanter. Hier ist Sitz der Europäischen Zentralbank, der Deutschen Bundesbank und, und, und …. Frankfurt erinnert an Monopoly. Kaufen, verkaufen und wie beim Monopoly gibt es Hotels – ohne Sterne und solche der Luxuskategorie; Häuser, in denen Menschen leben und Wohnblocks in denen Menschen hausen, das kleine Stadthaus oder die edle Villa in ruhiger Lage. Wer das Geld hat, hat die Wahl.

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So stelle ich mir vor, wie heute beim Marathon die Läufer wie lebende Spielsteine über das Spielfeld Frankfurt und damit über eine der wichtigsten Finanzzentren der Welt laufen! Lust auf eine 42km-Runde Monopoly?

Ereigniskarte: Begib dich zur Startaufstellung

Schon früh versammeln sich die ersten Läufer auf der breiten und heute für den Straßenverkehr gesperrten, Friedrich-Ebert-Anlage. Im vergangenen Jahr war es außergewöhnlich kühl, in diesem Jahr zweistellige Temperaturen. Die kalifornische Bräune und die Erinnerung an die hinter mir liegenden Wettkämpfe sind noch nicht verblasst.

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Das Wetter ist windig, feucht und regnerisch – mir wird schlagartig klar: Die Herbst-Saison steht vor der Tür! Für uns Großstadtflaneure spielt das Wetter ohnehin keine Rolle. Ist man erst einmal durch das Start-Tor gelaufen, scheint jeder wie durch Magie so wind- und regenresistent zu werden, wie der „Hammering Man“ (Symbol der Arbeitswelt) am Rande der Startaufstellung. Er ist in die Jahre gekommen. Seit über zwanzig Jahren schlägt er zu und das bleibt natürlich nicht ohne Folgen: Erst vor kurzen musste sein Arm ausgetauscht werden.

Das Gedränge wird immer größer, die Anspannung kann man nicht mehr verhehlen, das Adrenalin nicht mehr leugnen. Um bei diesem Spiel zu gewinnen, muss man schon extrem gut trainiert, ein Profi oder Kenianer sein. Zusätzlich benötigt man wie beim Monopoly auch eine wenig Glück. Rekorde erwarten die Veranstalter wegen des Wetters nicht. Ein Spiel dauert im Idealfall um die zwei Stunden, im Extremfall auch schon mal über sechs.

Ereigniskarte: Rücke vor bis auf Los

Über uns dröhnen die Propeller des Fernsehübertragungshubschraubers. Es ist 10:30 Uhr – eine halbe Stunde später gegenüber den Vorjahren.

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Nicht dass der Frankfurt Marathon besonders langschläferfreundlich wäre. Wo denkt ihr hin? Einziger Grund ist das Formel-1-Rennen in Indien. Diese Verzögerung war, dank eines weiteren hessischen Sieges, nicht umsonst!

„Monopoly, Monopoly wir sind nur die Randfiguren … und es hat Boom gemacht“!

Markus Frank, Sportdezenent der Stadt Frankfurt, gibt den Startschuss. Ein Jubelschrei der Massen geht über die Straße. Der Hubschrauberlärm wird leiser, die Spitzengruppe ist von hier nicht mehr zu sehen. Das Spiel hat begonnen, ein Spiel für alle, denn der „Champion-Chip“ an den Läuferschuhen wacht elektronisch über die gelaufenen Kilometer. So können selbst die schnellsten und langsamsten Zeiten bei jeder Überquerung einer Messmatte von Familie und Freunden mittels einer App in Echtzeit nachverfolgt werden. Für das Fernsehen ist es heute eine Premiere, den Marathon live in die ganze Welt zu übertragen. Bis der letzte Läufer über die Startlinie läuft, sind 55 Minuten vergangen. Gut, etwas zu essen dabei zu haben.

Unter der Woche ist besonders hier an der Friedrich-Ebert-Anlage zu Messezeiten und zur Rush-Hour die Hölle los, dann ist die ganze Stadt in Bewegung. Vom und zum Flughafen, in Pkws, auf Autobahnen, in Zügen, an den vielen Bus-, Straßenbahn-, S- und U-Bahnhaltestellen und auf Radwegen: Überall sind Menschen auf dem Weg von oder zur Arbeit. Im Berufsverkehr „atmet“ die Innenstadt einmal tief ein und schwillt tagsüber an, bevor sie nach Feierabend die vielen Pendler wieder in Frankfurts Speckgürtel und das weitere Umland entlässt.

Aber Frankfurt verträgt noch mehr. Beim diesjährigen JPMorgan Chase-Lauf, dem Frankfurter Firmenlauf, geht es durch die Innenstadt über eine Distanz von 5,6 km. Dort waren knapp 70.000 Teilnehmer (!) aus über 2.700 Unternehmen am Start. Damit ist der Lauf, nach Angaben des Veranstalters, der größte Stadtlauf der Welt. Kurt, ein Arbeitskollege, motivierte mich vor fast 10 Jahren zum Mitmachen. Nebenbei bemerkt sind mir die 5,6 Kilometer tatsächlich alles andere als leicht gefallen und heute, zehn Jahre später, ist dies mein 80. Marathon. So kann´s „laufen“.

Wie ein gespitzter Bleistift ragt neben uns der Messeturm in den Himmel. 61 Stockwerke und 1202 Stufen. Einmal im Jahr ist dieser Büroturm Austragungsort der Treppenhauslauf-Europameisterschaften. Thomas Dold, übrigens Trainer und heute streckenweise Tempomacher der Hahner-Zwillinge, ist noch immer der Streckenrekordhalter mit einer Zeit von 6:28 Minuten. Neben den Profis können dort auch Amateure und Firmenmannschaften starten. Kay probierte dies 2009 natürlich auch schon aus und benötigte dafür respektable 10:30 Minuten.

Zug um Zug oder auch Schritt für Schritt geht im Getümmel auf der westlichen Straßenseite Richtung Hauptbahnhof los. Als wäre ein riesiger Altkleider-Container geplatzt, verteilen sich über hunderte von Metern die weggeworfenen Kleidungsstücke der Läufer, getragen, um ein letztes Mal zu wärmen. Gegenüber bereits das erste Hotel auf unserer Strecke: Der alte Hessische Hof der Kategorie Luxushotel. Nach dem Krieg auf dem Grundstück des Hessischen Landgrafen errichtet. Jimmy´s Bar ist über die Stadtgrenzen bekannt. Aber am frühen Morgen erzähle ich noch keine Bargeschichten, komme lieber zur Realität. Schon treffe ich die erste Bekannte, Jasmin. Kaum Zeit für ein Foto, setzt sie sich vorzeitig ab.

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Bald sind wir an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Anlage, links auf die Mainzer Landstraße. Hier kreuzen die für Skater gefährlichen Straßenbahnschienen in alle Richtungen. Das schnellste und längste Nightskating Europas findet jeden Dienstagabend in Frankfurts Innenstadt statt. Wer hier in einer lauen Sommernacht mitrollt, hat keine Zeit, Angst zu haben. Ehe man sich versieht, ist man auch schon über die Skaterfalle hinweg gesaust. Heute bin ich um einiges sicherer, dafür aber auch um einiges langsamer unterwegs. Im Slalom laufe ich durch die Läufermenge. Rechts, links, nochmal links, rechts, links, nochmal rechts. Wenige Laufminuten später ist auch schon die Taunusanlage erreicht. Der Blick fällt unausweichlich auf die 155 Meter hohen Zwillingstürme „Soll“ und „Haben“ der Deutschen Bank Zentrale.

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Die Spitze des Starterfeldes huscht an uns vorbei, so schnell, dass ich sie nicht mehr aufs Bild bekomme. Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Gegen die Kälte hat man der riesigen Dinosaurier-Plastik vor dem Senkenbergmuseum ein Eintracht Frankfurt-Trikot übergezogen. Dabei fällt auf, dass man in Frankfurt fast keine verkleideten Läufer sieht, die sich aus lauter Jux und Tollerei zum Affen machen.

Marathon Maniac

Großbildleinwand – Zuschauermassen (KM 6 Opernplatz). Hier in der Alten Oper trifft sich kommenden Sonntag die Elite des deutschen Sports beim Sportpresseball. Vor der Oper sind entlang der Laufstrecke Drängelgitter aufgebaut. Keine Lücke zwischen den Zuschauerreihen: Show und Unterhaltung. Ich treffe viele Freunde und Bekannte an der Strecke, viele sind im Moment verletzt oder leiden vielleicht an einem Läufer Burnout. Aber auch wer nicht läuft, weil er vielleicht nicht Laufen kann, beteiligt sich als begeisternder Zuschauer. Ich hocke nieder, möchte die Alte Oper mit Läufern im Vordergrund aufs Bild bekommen. Wie ich mich wieder aufrappele, blicke direkt ich in die traurigen blauen Augen von Marathon-Maniac Joe. Das Drehbuch für diesen Lauf musste kurzfristig umgeschrieben werden: Der Laufjunkie nun ein laufaffiner Achillessehnen-Betreuungsfall, statt der Kamera hat er Krücken in der Hand. Während der gewöhnliche Marathonläufer alle Hände voll zu tun haben mit Trainings-, Ernährungs- und Streckenplan, läuft MM Joe in einer ganz anderen Liga. Wie wir ihn kennen, lässt er sich ganz bestimmt nicht unterkriegen – Daumen hoch!

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Dicht gedrängt laufe ich weiter, froh laufen zu können (KM 7 Taunusstraße). Rechter Hand ist der Willy-Brand-Platz (bis 1992 noch Theaterplatz). Dank eines jahrelangen Theaterabonnements meiner Großmutter machte ich hier die ersten kulturellen Schritte und lernte in dem Opern- und Schauspielhaus Opern und Ballette lieben. Auf Platz 13 der Frankfurter Hochhausliste steht der 148 Meter hohe Eurotower, früher als BfG-Hochhaus bekannt und heute Sitz der Europäischen Zentralbank. Auf dem grünen Platz davor steht fast zu übersehen ein meterhohes €-Logo.

So wertvoll wie sie scheint, ist die Spielkarte im Monopolyspiel dieser Bank nicht, denn ein Umzug der Europäischen Zentralbank (an die Großmarkthalle im Ostend) ist bereits im Bau. 4000 Fenstern hat der 136,80 Meter hohe „Gallileo“. Die Spielkarte dieses Bankgebäudes hatten schon einige: Einst war das Hochhaus Teil der Konzernzentrale der Dresdner Bank. Durch die Bankübernahme der Commerzbank wurden diese Eigentümer. Gegenwärtig besitzen südkoreanische Investoren den Glitzerpalast. Geschwiegen wird über den Kaufpreis. Über die Preise schweigt man auch in der erotischsten und exotischsten Straße Frankfurts, der Kaiserstraße, die wir kurz vorher streiften. Rund um die Uhr ist in diesem Viertel „Betrieb“. Ausgelassene Stimmung herrscht auch vor dem Steigenberger Hotel: Europäische Sambistas „jammen“.

Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Ich bahne mir einen Weg. Im Gewusel der Läufer lugt linker Hand die Hauptwache (KM 7,5) hervor. Spannende Geschichten einer spannenden Stadt: Wie in vielen großen Städten des Mittelalters, wurden auch in Frankfurt an verschiedenen Stellen der Stadt Delinquenten verurteilt und Todesurteile vollstreckt. So auch an der Hauptwache, Ecke Rossmarkt. Wer heute hier im Café sitzt, kann ja mal versuchen sich vorzustellen, wie an diesem Platz an einem heißen Sommertag des Jahres 1799 der Kopf eines Frankfurter Dippemachermeisters vom Rumpf getrennt wurde.

Später wurde die Hauptwache bis 1904 militärisch genutzt. Seit den 1960ern fährt hier Frankfurts erste U-Bahn. Zurück zur Gegenwart. Im Hintergrund der Hauptwache sticht das mit 259 Metern höchste Gebäude Mainhattens, der Commerzbank Tower, hervor. Rechter Hand ist die 1678-81 erbaute Katharinenkirche, von der man sagt, es wäre Goethes Taufkirche. Hier in der Seitenstraße ist Goethes Elternhaus. Im Mittelalter wurden an der inneren der beiden Frankfurter Stadtmauern tatsächlich Hirsche gehalten: Als lebender Fleischvorrat für eine eventuelle Belagerung.

Auch hier ist eine Großbildleinwand, auf der die Läufer wie ein Meer aus bunten Punkten zu bestaunen und zu bejubeln sind. Arthur Schmidt, Moderator-Urgestein, berichtet von der Strecke und unterhält mit Geschichten und Geschichtchen rund um den Frankfurt Marathon. Ihn werden wir bei Kilometer 39 nochmals wiedersehen.

Die Verbindungsstraße (KM 8 Große Eschenheimer Straße) von der Hauptwache zum Eschenheimer Tor wird unter die Laufschuhe genommen. Das 14. Fünf-Sterne-Luxushotel in Frankfurt ist das Jumeirah. Flair aus 1001 Nacht und hoteleigener Bienenzucht auf dem Dach. Jumeirah ist die kleine Schwester des teuersten Hotels Dubais dem „Burj Al Arab“. Eine Nacht in der Präsidentensuite hoch über den Dächern Frankfurts kostet 5.000 EURO.

Ein Highlight jagt in Frankfurts Skyline das andere. Im PalaisQuartier-Ensemble mit historischer Adresse ragt der 135 Meter hohe NEXTOWER in den Himmel. Gerade unpoliert im Regen ist er für mich Frankfurts schönstes Glas-Juwel.

Piep, piep, piep. Eine elektronische Matte stoppt die Zwischenzeit. Früher Autostraße heute Fußgängerzone (KM 8,5 Kalbächer Gasse). „Kalbächer Gasse? Nie gehört wo soll die sein?“ Im wahrsten Sinne des Wortes eine genüssliche Flanierzone. Die Freßgass‘ ist die Bezeichnung der Frankfurter für den Straßenzug Kalbächer Gasse und Große Bockenheimer Straße zwischen Opernplatz und Börsenstraße. Die Ladenmieten in der Freßgass‘ zählen zu den teuersten in ganz Frankfurt und die Preise der zu erwerbenden Genüsse sind folglich hoch.

Erneut nähe Opernplatz (KM 9). Tausende Sportbegeistere drängen sich rechts und links der Laufstrecke auch die Idee des Public „Marathon“ kommt an. Die Rhythmen von Ritmo Candela machen gute Laune und sie reißen das Publikum und die Läufer mit. Wenn die letzten Läufer über den Platz laufen, nehmen kurz darauf die Opernfreunde auf den Stühlen (von denen der Frankfurter Friedrich Stolze sagte, sie seien zu eng geraten) Platz; denn dann beginnt auch schon der „Tannhäuser“. Das Opernhaus gewann in diesem Jahr den „International Opera Award“ und nimmt damit unter den weltweit bekannten Opernhäusern den Spitzenplatz ein.

Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Das Läuferfeld ist dicht beisammen. Die (KM 10) Bremer Straße eingebettet zwischen Grüneburg-Park und Holzhausenpark. Der Holzhausenpark ist die Schnittstelle zwischen Westend, Holzhausenviertel und dem Universitätscampus Westend. Eine Umgebung mit viel Grün und altem Baumbestand. Statt buntem Herbstleuchten ist es jedoch grau und regnerisch. Kuschlig (weil zu eng) ist es zurzeit nur in den Hörsälen.

Dunkle Wolken ziehen auf und kurz darauf wird es von oben nass. Nass sind auch meine Erinnerungen hier an der Hochstraße, die wir gerade queren. Dort wo heute das Hilton Hotel steht, habe ich Schwimmen gelernt – vom Seepferdchen bis zum Jugendschwimmer. Einmal pro Woche ging meine Mutter mit mir in das beliebte Stadtbad Mitte. Typische 60er Jahre Steinmosaiken in Grau-, Türkis- bis Schwarztönen und einem Zehn-Meter-Sprungturm, zu hoch für die kleine Andrea. Meine Mutter musste zuerst springen. Das Sprungbrett ist abgebaut, das Becken nicht mehr so tief wie früher.

Nach dem Schwimmen ging´s auf ein Stück Kuchen ins Café Wipra oder zum Kauf einer Garnitur neuer Strümpfe ins Kaufhaus Schneider. Das Café, das Kaufhaus und das Stadtbad Mitte gibt es schon lange nicht mehr, aber schwimmen kann man dort noch heute, im größten Hotelpool Europas. Heute heißt es „Wave“ und gehört zu einem Fitnessstudio im Hilton Hotel. 1998 hatte Frankfurt der amerikanischen Hotelkette zur Auflage gemacht, ihren Neubau an der Hochstraße um das Stadtbad herum hochzuziehen. Hinter dem Hotel liegt die damals sogenannte „Haschwiese“ in der Bockenheimer Anlage, vor der mich meine Eltern warnten.

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Vor knapp sieben Jahrhunderten war der 40 Meter hohe Eschenheimer Wach- und Wehrturm der erste Hochbau, heute das älteste Bauwerk der Innenstadt, welches wir jetzt erreichen. Heute entrückt der Turm in der Menge der anderen, viel höheren Türmen. Extrem der Kontrast zwischen alt und neu, zwischen Bruchsteinbau und Glasbeton. Die Hauptwache, Ecke Eschenheimer Tor, Schauplatz von „Faust“ und „Das Mädchen Rosemarie“, denn das wahre Leben schreibt die spannendsten Geschichten – enthauptet und erwürgt in der Innenstadt Frankfurts. Die Rede ist von Susanna Margaretha Brandt (28 J.) genannt „Gretchen“ und Rosamarie (24 J.) genannt „die Nitribitt“. 185 Jahre liegen zwischen dem Tod der beiden jungen Frauen. Die als Kindsmörderin hingerichtete Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt starb am Morgen des 14. Januar 1772 durch den Halsabschneider Johann Hoffmann auf dem Schafott an der Hauptwache. Der junge Rechtsanwalt Johann Wolfgang von Goethe verfolgte den Prozess, die Tragödie inspirierte ihn zur Gretchenfigur des „Faust“. Goethes Elternhaus war nur einen Steinwurf entfernt.

Zwei Steinwürfe weiter, 1957, Tatort Stiftstraße im Haus Nr. 36. Vor dem Gebäude stand ein glänzender schwarzer Mercedes 190 SL, Weißwandreifen, weißes Lenkrad und dunkelrote Ledersitze. Jeder wusste, wem der Wagen gehörte. Männer aus den höchsten Kreisen gehörten zu ihren Kunden. Am Ende bezahlte sie ihren “Aufstieg” vom einfachen Mädchen zur Edel-Prostituierten mit dem Leben; ihr Mörder ist bis heute nicht gefunden.

Fußläufig von hier bin ich in einer geräumigen Altbauwohnung eines Gründerzeithauses im Nordend aufgewachsen. Schlichter Standard, anfangs ohne Bad, alte Leitungen über Putz, Ölofen, knarzende Holzdielen und hohe Decken. Ich spielte im großen Hinterhof zwischen den Häuserreihen. Das Nordend ist in den 70ern fest in Studenten-Hand. Aus dem Studentenviertel ist ein Akademikerviertel geworden, „unser“ Haus mittlerweile luxussaniert.

Rechts, links, nochmal links, rechts, links, rechts . . . Ich will das auffallend grellbunte Wandbild am Hause der Maßschneider Innung Frankfurt (KM 12 Bleichstraße) aufs Bild bekommen. Auf über 160 Quadratmeter Fassade ist Farbe von über 800 Spraydosen. Ein gelbes Maßband als Zeitstrahl erzählt die Geschichte der Schneider.

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Mehr als 1000 Herrenschneider arbeiteten 1923 in Frankfurt und bildeten damit das größte Handwerk der Stadt. Kein Wunder also, dass Schneidern und Nähen auch der Beruf meines Frankfurter Urgroßvaters war. Heute sind nur noch etwa 30 Maßschneider im Rhein-Main-Gebiet tätig. Bedauerlicherweise laufe ich, mitgezogen vom Läuferpulk, viel zu schnell an der Fassade vorbei.

Hippdebach

Nicht mehr weit und wir sind unne am Maa (KM 13 Kurt-Schuhmacher-Straße). Jetzt geht’s von hibbe noch 300 Meder nach dribbe und ruff un nunner übber die Aale Brück, 1235 erstmals urkundlich erwähnt.

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Auf ihr wurden ebenfalls Todesurteile vom Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert hinein vollstreckt. Lautete das Urteil Tod durch Ertränken, wurden die Verurteilten gefesselt und in ein Holzfass gesteckt und an der tiefsten Stelle (am Brickegickel) von dieser Brücke in den Main geworfen. Bedingt durch die Strömung tauchten die Behälter bzw. die Körper meist erst hinter der Stadtgrenze wieder auf.

Brust raus und lächeln

Hier sitzen die Fotografen, hier werden die Panoramafotos geschossen, im Hoch- oder Querformat, die Frankfurter Skyline auf Fotos in jeglicher Form! Vor allem die Hochhäuser mit dem Kaiserdom St. Bartholomäus (dem größten Sakralbau der Stadt) ist zum Hochglanzmotiv für den Frankfurt Marathon geworden. „Kreisch“! Erinnerungen werden wach. Von oben schaue ich auf das Sachsenhäuser Mainufer und damit auf die Laufstrecke des Frankfurt Ironman. Sicher werden auch Nicole und Lothar Leder (heute als Staffelläufer unterwegs) ein Auge auf das Ufer geworfen haben.

Dribbdebach

Wir sind Dribbde (KM 14 Schaumainkai) in Sachsenhausen, dem Stadtteil, den kein Tourist bei seinem Frankfurt Besuch auslässt. Im Mittelalter Lage des Ritteradels, später Arbeitsstätte und Wohnort der Gerber, Färber und Gemüsebauern. Kopfsteinpflaster ziert auch heute die alten Gassen. Und hier uff de Mainuferseit gibt’s de Ebbelwoi (Apfelwein) und Handkäs.

Zurück zum Schaumainkai. Ein Museum reiht sich an das nächste. An schönen Sommertagen kann man sich in Goethes Vaterstadt die Italienreise sparen und das Gelati am Mainufer genießen. Ein paar Schritte weiter fällt der rote Mainsandstein der Dreikönigskirche ins Blickfeld. Zum Zeitpunkt seiner Erbauung war der 81 Meter hohe Turm das zweithöchste Gebäude Frankfurts. Genau passend ist von der Sachsenhäuser Seite am Horizont das „Gerippte“ zu sehen. Der Westhafen-Tower wird von uns Frankfurtern allgemein als Geripptes bezeichnet, da seine Fassade wie ein Frankfurter Ebbelwoi-Glas aussieht.

Rechter Hand der Eiserne Steg, der als Fußgängerbrücke den Römerberg mit dem Stadtteil Sachsenhausen verbindet. Besonders in einer lauen Sommernacht ist es schön über diese Brücke zu flanieren. Tausende Vorhängeschlösser sind am Ziergitter angeschlossen. Zurück zur Strecke. Wir laufen weiter in Richtung Schweizer Straße. Der Wind spielt mit, er weht aus Südwest. Ideales Wetter – nicht für Rekorde, aber zum Drachen steigen zu lassen.

Villa Kennedy

Ein Hotel, das man bei Monopoly unbedingt besitzen muss, ist die „Villa Kennedy“ (KM 16 Kennedyallee). Im Vorüberlaufen kann man dem Portier in der schokobraunen Uniform mit Zylinderhut zuwinken. 163 Zimmer und Suiten hat der Hotelkomplex, der sich um einen großen Innenhof mit Wasserspielen und einem Eichbaum fügt. Früher war die 1904 gebaute Frankfurter „Villa Speyer“ ein Forschungsinstitut. An einem heißen Sommertag vor 50 Jahren jubelten die damaligen Besitzer des Hauses dem amerikanischen Präsidenten zu. Die Schulkinder bekamen frei, und Beschäftigte der Verwaltungen hatten früher Dienstschluss. Keine fünf Monate später wurde er erschossen und das Straßenschild ihm zu Ehren in Kennedyallee geändert.

Später kamen die Kräne und Bagger und eine jahrelange Großbaustelle. Wer heute vom Turmzimmer aus auf die Frankfurter Skyline schaut, hat für diesen Blick zuvor 5000 Euro bezahlt. Soviel kostet gewissermaßen die Nacht in der über 320 Quadratmeter großen Präsidentensuite mit ihren Art-déco-Möbeln. Für mich reicht auch nur das Frühstücksbuffet.

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Über stolze zwei Kilometer schlängeln wir uns weiter an meist prachtvollen Villen vorbei. Die Bauten des Frankfurter Bürgertums aus dem 19. Jahrhundert (damals hieß die Allee noch Forsthausstraße) sind typisch für jene Zeit. Etwas weiter, auf der anderen Straßenseite, stehen täglich die Objektschützer des türkischen Generalkonsulates. In direkter Nachbarschaft die diplomatischen Vertretungen Japans, Thailands, Vietnams und Pakistans – Kuwait wird folgen.

Zickzackhausen

12:00 Uhr – die potentiellen Siegesanwärter sind bereits in der entscheidende Phase, wir im einstigen Wäscherdorf (KM 17 Niederräder Landstraße) heute Bürostadt im Grünen. Die Commerzbankarena, die Zentrale des Deutschen-Fußballbundes und die über 150 Jahre alte Galopprennbahn gehören zu dem Stadtteil Niederrad. „Zickzackhausen“ nennt man die heute gesperrte (KM 18 Bruchfeldstraße) sonst vielbefahrene Hauptstraße. Mit einem 1930er Jahre wie im Zickzack gebauten Siedlungen. Hier entstanden, dank Margarete Schütte-Lihotzky, das erste „Labor für die Hausfrau“: Die weltweit erste Einbauküche, bekannt geworden als „Frankfurter Küche“. Wir laufen an der städtischen Abwasseranlage vorbei (KM 19 Goldsteinstraße). Die historische Anlage klärt und säubert bereits seit 1887. Heute steht hier eine der größten und modernsten Anlagen Deutschlands.

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Die Musik kommt aus den Radios der Anwohner und die Kleingärtner von Goldstein müssen heute ganz sicher nicht mehr gießen. Von Goldstein geht’s nach Schwanheim. Das Naturschutzgebiet „Schwanheimer Düne“ gilt Kay und mir manchmal als Trainingsterrain für „lange Läufe“. Über die Schwanheimer Brücke laufen wir nach Höchst.

Wiege des Frankfurt Marathons

Die Profis und die Hahner-Twins sind bereits im Ziel, die HR-Livekameras werden abgeschaltet und ich bin in der Wiege des Frankfurt Marathon angekommen: Im Stadtteil Höchst (KM 26 Mainzer Landstraße).

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Mein Vater, ein Läufer der ersten Stunde in Frankfurts Marathon-Sporthistorie. Am 17.05.1981 wird erstmals in Deutschland ein Stadtmarathon ausgetragen, der Hoechst-Marathon, heute Frankfurt Marathon. Den Startschuss gab der damalige (vergangenen Monat verstorbene) Oberbürgermeister Dr. Walter Wallmann (CDU/1977 bis 1986). Mein Vater war unter den 2.588 Finishern, damals 41 Jahre alt. Das ist dokumentiert. Dass mein Vater nicht auf dem Siegertreppchen landete ist dokumentiert. Dass er nicht Letzter wurde, ist dokumentiert. Nicht dokumentiert ist seine Laufzeit. Erst 13 Jahre nach der Erstaustragung wurde der Champion-Chip eingeführt.

Man weiß, dass das Leistungsniveau in den frühen achtziger Jahren höher als heute war, nicht wenige Marathonveranstaltungen bauten nach vier Stunden das Ziel ab. In meiner Erinnerung hat mein Vater nie trainiert, nie davon gesprochen, er ist einfach gelaufen. Ich ging ins Fitnessstudio zum Aerobic, er in den Park? Ich erinnere mich an sein Hemd in Rippstrick-Optik und an seinen Turnschuh, der heute übrigens als trendiger Retro-Schuh verkauft wird. Zurück auf die Strecke.

Und wer sich zwischen den vielen Kilometern mal wieder bewegen will, rockt ausgelassen bei schmissigen Rhythmen des Blasorchesters bis die Knochen wieder wollen. Dennoch kann ich bald die Füße (KM 28 Ludwig-Scriba-Straße) nicht mehr richtig heben, die Schultern hängen und von Körperspannung ist nichts zu bemerken. Der Streckenchef des Frankfurt Marathon, Dieter Bremer, wäre entsetzt, er steht am Rand – erkennt mich zum Glück nicht. Vor einigen Jahren zeigte er mir beim Lauf-ABC, dass man genau so, wie ich jetzt laufe, nicht ans Ziel kommt. Also nehme ich mich zusammen und erhöhe, wenigstens für kurze Zeit, die Schrittfrequenz (KM 29 Oeserstraße).

Jetzt auch noch das: DIE Mainzer Landstraße bei Kilometer 30. Lisa und Anna hatten hier eine Durchgangszeit von 1:42 Minuten(!). Jetzt geht es um die Wurst, vier unendlich lang(weilige)e Mainzer Landstraßen Kilometer am Stück gilt es zu laufen. Dafür hasse ich den Frankfurt Marathon. Ich lenk mich ab und denk an des Kaisers Würste. Wenn ein Kaiser in Frankfurt seine Krönung feierte, lagen Frankfurter Würstchen auf der Tafel. Berühmt ist auch der Rechtsstreit, den im vergangenen Jahrhundert die Frankfurter Metzger um ihren Bestseller führten. Seit 1929 dürfen sich nur solche Würstchen „Frankfurter“ nennen, die tatsächlich auch im Frankfurter Raum produziert wurden. Dieses Urteil ist noch heute gültig.
Aber was ist das? Auf der Mainzer „steppt der Bär“.

Multikulturelles Happening

Frankfurter-Marathon-Charts dröhnen durch die Straße, rasch wechselt die musikalische Unterhaltung vom Groove zur Blasmusik, ich wechsle ebenso schnell den Rhythmus vom Grooven ins Marschieren. Wie ein Laubbläser bläst der Wind die Pappbecher über die Mainzer. Am Horizont sehe ich erst das „Gerippte“, kurz darauf die Spitze des Messeturms. Es kann also nicht mehr weit sein. Die tausende, kunterbunte Spielfiguren verteilen sich mittlerweile in verschiedenen Stadtteilen. Ich bin im Gallus; auch Kamerun genannt. Genannt wegen der Druckerschwärze der damaligen Adlerwerke, nicht wegen des multikulturellen Happenings (KM 34 Kriegkstraße)!

Auf einem künstlichen Erdhügel errichtet, sah man schon von weitem die halbverwesten Kadaver am Galgen baumeln. 500 Jahre war die bekannteste Hinrichtungsstätte des alten Frankfurts das „Hochgericht“. Es trug den Namen Galgenfeld und Galgenwarte. Der Name wurde später durch Gallus ersetzt (Gallusanlage, Galluswarte). Mitunter hingen vier Bestrafte gleichzeitig am Galgen und zwar so lange, bis sie verfault waren. Kein Anblick für den Kaiser, denn wenn er Frankfurt besuchte, dann wurde aufgeräumt beziehungsweise abgehängt. Erst 1806, Frankfurt war von den Franzosen besetzt, wurde anlässlich des Geburtstages Kaiser Napoleons endgültig aufgeräumt, aber auch nur, weil man einen Festplatz brauchte. Heute findet hier auf der Frankenallee der Wochenmarkt statt.

Unter Denkmalschutz stehen die Anfang der 1930er Jahre entstandenen Backsteinbauten der „Hellerhofsiedlung“. Auch hier wurde die „Frankfurter Küche“ schon eingebaut. Die Alleestraße verläuft parallel zur Mainzer Landstraße. Sitz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Neuen Presse. Plötzlich eine Stimme hinter mir: „Entschuldigung, darf ich mal vorbei?“ Ja, habe ich tatsächlich erlebt! Ich habe Glück und kann ein typisches Frankfurter Wasserhäuschen fotografieren. Für die einen ist es ein Kiosk, für die anderen eine Trinkhalle und geselliger Treff. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es das Bizzelwasser noch nicht in Flaschen, man holte es sich abgekocht und mit Gasdruck abgefüllt am Wasserhäuschen. Heute ist es eher unwahrscheinlich, dass man dort hingeht, um nur ein „Wässerchen“ zu trinken.

Raben gaben ihm den Namen

Falschspielern wurden gewöhnlich die Ohren abgeschnitten oder der Frankfurter Adler auf die Stirn gebrannt (!) „Rabenstein“, bis 1812 eine weitere berüchtigte Hinrichtungsstätte Frankfurts (KM 36 Mainzer Landstraße). Ohren, Hände und Köpfe waren die Körperteile, über die die Raben herfielen. Heute steht auf dem Platz ein gekacheltes Eckhaus, ein hochmoderner Anbau ist geplant. Hochmodern und nagelneu im Herzen des Europaviertels ist ein neuer Einkaufstempel, das Skyline Plaza. Shopping der anderen Art erwartet uns nur kurze Zeit später.

„…und die in der Schlossallee verlangen viel zu viel“

Was die Schlossallee beim Monopoly ist, ist die Goethestraße (KM 37) für Frankfurt: Nobelmeile für Wohlbetuchte und Markenfetischisten.

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Kleine Geschäfte mit großen Schaufenstern, die mit ihren zurückhaltenden Auslagen das Wort „Luxus“ neu definieren. Kaum bezahlbare Schuhe und Taschen aufgestellt wie Unikate in einem Museum. Bei Kilometer 37 bin ich völlig unbeeindruckt von den wunderschönen Auslagen und ziehe inmitten der Läufermasse an den Schaufenstern vorbei (vor Tiffany stoppe ich doch mal kurz). Bereits nach einer Minute liegt die Markenwelt in der teuersten Einkaufsstraße der Stadt schon wieder hinter mir. Und ein ganz anderes Kapitel in Frankfurts Geschichte vor mir.

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Kilometer 39. Da freue ich mich schon den ganzen Lauf drauf. Es gibt, glaube ich, keinen größeren Fan als meine Mutter. Und ich weiß, dass sie hier auf mich wartet. Ich bin pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt da. Ein paar Fotos, ein paar liebe Worte an die beste Mutter der Welt!

Zurück in der Freßgass‘. Wie passend ist da die „Fett Gret“ (Skulptur die Große Liegende) das in Körper gegossene Sinnbild von Entspannung. Betoniert liegt sie auf ihrem Polster, ob die Sonne scheint, es wie aus Kübeln schüttet oder Läufer an ihr vorüberziehen. Der Fett Gret ist das gerade mal egal. Unbeweglich, prall, glücklich.

Drei-Wetter-Taft nutzt jetzt auch nichts mehr

Jetzt heißt es „Rücke vor bis zur Festhalle“! Der Messeturm kommt in Sichtweite. Noch etwa ein Kilometer zu laufen. Rechts und links stehen an den Drängelgittern die begeisterten Zuschauer. Das Herbstlaub fegt den Läufern um die Ohren. Ganz so als ob der Wind einen Zieleinlauf verhindern will, pfeift er teilweise mit bis zu 75 km/h den Läufern entgegen. Der Hammermann weist den Weg hinein in die Festhalle.

Das Beste zum Schluss

Weltweit bekannt und als älteste Messe der Welt mittlerweile auch zum Kulturdenkmal ernannt, werden hier bekanntermaßen Bücher, Musik und Autos zur Schau gestellt. Im Mai 1909 war die Festhalle als Europas größter Kuppelbau feierlich eröffnet worden. Zwei Jahre später fand dort zum ersten Mal der Wettstreit der Langzeitradfahrer statt. „Die Festhalle gleicht bei Sechstagerennen einem überdimensionalen Kochtopf“ schrieb die Presse. Man johlte, pfiff und schrie den Fahrern auf der Bahn zu. Genauso wie heute: Von der Tribüne johlt, pfeift und schreit es. Glamourös illuminiert mit Kunstnebel und Discorhythmen. Nur Sekunden auf dem roten Teppich.

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Dafür aber für Sekunden eine richtig fette Show. Konfettikanonen für die Sieger, die Schnipsel bedecken den Boden und schimmern in allen Farben der Scheinwerfer. Genau dafür liebe ich den Frankfurt Marathon! Ich bin nächstes Jahr wieder dabei wenn es heißt: „Noch einmal Würfeln und zurück auf Los“.

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Info Marathon:

Zielschluss: 6 Stunden und 15 Minuten

Streckenprofil: Die flache Strecke verläuft hauptsächlich auf breiten Durchgangsstraßen
Höhenmeter: niedrigster Punkt 89,4 Meter über NN, höchster Punkt 117,2 Meter über NN.

Kosten: Je nach Anmeldedatum zwischen 55,00 EURO und 100,00 EURO

Wettbewerbe: Neben dem Marathon wird auch ein Staffelmarathon angeboten und ein Mini-Marathon für Kinder und Jugendliche (4,2 KM)

Temperatur: 13-16°C, Wind bis 75 km/h

Verpflegung: Alle 5 km sind die Versorgungsstände mit Getränken aufgebaut. Ab km 15 bis ins Ziel gibt es zusätzlich Bio-Bananen. Bei km 30, 35 und 40 gibt es zusätzlich Coca Cola. An allen Ständen stehen Wannen zum Eintauchen bereit

Zeitmessung: ChampionChip

In der Startgebühr enthalten: SMS-Service, Meldebestätigung per Post oder per Email, Programmheft, Bus-Shuttle vom Parkhaus zum Marathon-Areal am 27.10.2013, RMV-Ticket für den 27.10.2013 im Stadtbereich Frankfurt, Nudelparty (Essen und Getränke), reich bestückter Läuferbeutel, Startnummer mit Vornamen und Zwischenzeiten entsprechend persönlicher Zielzeit, Streckenfaltplan, Gutscheinheft, Kleideraufbewahrung während des Laufs, Streckenverpflegung, Medaille, Wärmefolie, umfangreiches Sportlerbuffet im Ziel, Vorab-Urkunde 30 Minuten nach Zieleinlauf, perfekter Streckenservice, Duschen, Massage, medizinischer Betreuung, kostenloser Besuch des Rebstock-Schwimmbads, Ergebnisheft mit CD und Urkunde per Post.