Bärenfels Ultratrail 2011
Bulle und Bär
Wegrennen ist keine gute Idee: Erstens weckt die Flucht den Jagdinstinkt des haarigen Gegenübers und zweitens bringt es der Bär auf gut und gerne 60 Sachen.
Wir sind weder in Lappland, noch im Schweizer Nationalpark und auch nicht unterwegs auf dem großen Bärentrail vom Yellowstone durch Kanada. Wir sind nur 30 Auto-Minuten von Saarbrücken, Kaiserslautern, Trier und Idar-Oberstein entfernt. Genauer genommen in Hoppstädten-Weiersbach, Ortsteil Neubrücke im Grenzgebiet zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Dort gibt es den Bären(fels)trail. Bärenkräfte braucht es nicht für diese Tour, auch wenn einige größere und kleinere Anstiege auf die Läufer warten, die sich von Runde zu Runde summieren. Dabei, ein Survival Guide für das deutsche Mittelgebirge. Nicht nur Bären lieben die Wildnis – sondern Pferdebremsen und Zecken auch.
Nach einem etwas verkürzten Arbeitstag und diversen Staus auf der Autobahn haben wir doch noch unser Zimmer im Tagungshotel im Umwelt-Campus Neubrücke gechartert (Anreise nur bis 19:00 Uhr möglich). Bequem kommen wir auch so zu unserer einzigartigen Startnummer. Die Startnummern sind von Hand bemalt und für 5,00 EURO Pfand kann man dann seine eigene Nummer immer wieder tragen.
Auch die Ausschreibung zu diesem Lauf sowie die Streckenbeschreibung wurden von Andrea Feller handbemalt. Nur die Pasta ist nicht hausgemacht, die bekommen wir aus der Kantine des FH-Campus und sind lecker und reichlich vorhanden.
Den Start am darauffolgenden Tag erreicht man vom bequem vom Campus aus zu Fuß. Hier steppt nicht der Bär; es ist eher so eine gemütliche Bärenruhe. Bereits ab 6:00 Uhr kann man ein kostenloses Läuferfrühstück bei Bärenkälte zu sich nehmen. Robert Feller, der Veranstalter, teilt uns in aller Bärengemütlichkeit mit, dass wir noch 15 Minuten warten, bis auch die letzten Läufer den Weg zum Start gefunden haben. Gestartet wird am Nahe-Radweg auf einer noch feuchten Wiese. Wie BÄRserker begeben sich gegen 8:15 Uhr die Läufer alle gleichzeitig auf die unterschiedlichsten Strecken. Einige von ihnen sind richtige StreBÄR.
Nur die Schülerläufe finden eine Stunde später statt. Auch hier ist ein eindeutiger Trend erkennbar. Während die Teilnehmerzahlen für die Marathonläufe zurückgehen, steigen die Zahlen für die Halbmarathonstrecke und immer mehr Läufer nehmen das Angebot eines ultralangen-Laufes an. Der Ultralauf ist auch Teil der Lafuma Trail Serie mit Läufen in Luxemburg, Holland und Belgien.
Gestartet wird „gegen den Berg“, wir laufen in einen Wald und überholen gleich ein Paar Berliner Bären. Die federnden Waldboden tun den geschundenen Füssen so richtig gut . Nun geht es ein gutes Stück bergauf, so dass weniger trainierte Läufer schon mal durchpusten müssen. Von Beginn an geht es leicht aber stetig Bergauf mit einem Ausblick ins Nahetal. Die Nahe schlängelt sich unterhalb. Uns erwarten zwei Highlights: die Bärenhöhle und der Bärenfels. Ab dem Ortsrand Nohfelden führt die Strecke auf den Bärenpfad. Hier jagten einst die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken auch Elche und Bären. Der Bär heißt uns „Herzlich Willkommen“.
Der Bär weist den Weg, er ist aus Holz und zeigt den Läufern, dass sie auf dem richtigen Weg sind: Den Bärenpfad. Der Saar-Hunsrück-Steig ist jüngst Mitglied der TopTrails of Germany geworden und hat das Zeug, einer der beliebtesten Weitwanderwege Deutschlands zu werden. Auch der hölzerne Kamerad hat die Qualität, um sich als Buddy Bär bei Germanys Next Top Bear zu bewerben.
Schon bald wendet sich der Weg nach links durch kühle Fichtenwälder. Der Aufstieg zum Bärenfelsen führt dann steil bergan und auf Stufen vorbei am Felsmassiv der „Bärenhöhle“. Viele Läufer bleiben dort stehen und scheinen zu warten, dass ein Bär mal die Schnauze herausstreckt, um ihn zu fotografieren. Mir ist das Loch zu klein, um zu glauben, dass da ein Bär reinpassen sollte. Selbst für Joe wäre das Loch zu klein. Weiter oben auf dem Berg, wird man mit einem herrlichen Blick über das Birkenfelder Land belohnt.
Dahinter liegt der Hunsrück. „Dort ist der Erbeskopf“, erklärt ein Läufer und zeigt in Richtung der höchsten Erhebung in Rheinland-Pfalz. Den haben wir bereits bei dem von Bernhard veranstaltetem Lauf, dem SH-Supertrail „bestiegen“. Heute erleben wir jedoch eine ganz neue Facette des Saar-Hunsrück-Steigs. Oben angekommen haben wir dann den steilsten Anstieg dieses Laufes bereits bewältigt.
Von einem Rastplatz aus könnte man die schöne Aussicht auf den Hochwald genießen. Kurz vor der Felskuppe des „Bärenfelsen“ befindet sich erste Verpflegungsstelle.
Hier treffen wir auch Achim und Joe. Beim Zusammentreffen mit Bären gibt es drei überlebenswichtige Reaktionen:
1. Vertreiben: Vertreiben der Bären durch Schreien, lautes Klappern, klatschen, Schreien und wedeln mit den Armen.
2. Davonschlendern: Falls man die Teddys durch Geschrei irritiert hat, sofort die Gunst der Stunde nutzen: Nichts, wie auf und davon! Langsam entfernen im spitzen Winkel, den Bären immer im Visier.
Oder 3. Tote Maus spielen. Besteht er trotz allem auf einem Angriff, hechtet man unter einen Busch und stellt sich tot.
Spürt man dennoch seine scharfen Zähne am Oberschenkel, weiß man wenigstens, dass man von einem Schwarzbär gefressen wird: Diese Bärenart sagt auch zu toter Beute nicht nein. Nach dem Bärenfels geht es erst mal wieder bergab. Nach dem kurzen Abstieg führt der Weg nun zunächst über Forstwege. Schließlich biegt er auf schmalem Pfad in ein Tälchen ein. Dank der gut markierten Streckenführung und der Schilder mit den Bärentatzen findet man sehr gut den rechten Weg. Langsam fängt mein Magen an zu knurren, ich habe einen Bärenhunger und denke an Bären: Buttermilch-Zitrone-Bärchen, Erdbeer-Sahne Bärchen, Fruchtsaft Bären, Gummibärchen zuckerfrei, Rote-Grütze-Bären, Waldmeister-Bären. Haribo sollte Sponsor dieses Laufes sein.
Wir folgen dem Kerbtal, das sich zu einer kleinen, von einem Bach durchflossenen Schlucht öffnet. Bald erreichen wir den Waldrand und laufen weiter nach rechts entlang. Nun führt der Weg wieder in den Wald hinein und durchquert auf einem Pfad einen malerischen Erlenbruch. Nach gut der Hälfte der ersten Runde treffen wir erstmals wieder auf Wiesen und freies Feld. Schon bald biegen wir abermals in einen Wald Pfad ein, und erreichen die zweite Verpflegungsstelle, wunderschön gelegen am Naturdenkmal „Dicke Eiche“.
Der mächtige Baum hat einen Stammumfang von mehr als 4 Metern und ist wohl um die 600 Jahre alt. Wir erlauben uns in der zweiten Runde dann den kleinen Exkurs zum nahe gelegenen „Messerbrunnen“, ein gallo-römisches Quellheiligtum. Selbst die Genüsse für den Gaumen kommen nicht zu kurz. Fehlt eigentlich nur der Bärwurz. Kleine Tafeln informieren an mehreren Punkten über die Gegebenheiten am Wegesrand.
Auf dem „Heidesköpfchen“ befinden sich keltische Hügelgräber die gut im Wald zu sehen sind – es riecht nach Bärlauch. Zweimal passieren wir wieder einen Bach, bevor wir für ein größeres Stück über freies Feld laufen. Hier wendet sich der Weg nach rechts und steigt weiter an. Durch nicht mehr benutzte Sand und Steinbrüche geht es durch einen lichtdurchfluteten Buchenwald, dessen Bäume rund 80 Jahre alt sind. Durch Wiesen und Felder steigt der Weg stets bergan.
Täuschen, tarnen, schwindeln: In der Natur gibt es kein moralisches Tabu, wenn es ums Überleben geht. Die harmlosen Marienkäfer signalisieren durch ihre rot-schwarze Warnfarbe, im Besitz eines gefährlichen Gifts zu sein. Zecken wiederrum signalisieren nichts und das ist das Niederträchtige daran. Klar, der Biss selber ist nicht gefährlich, doch während wir nichtsahnend weiterlaufen, saugt die Zecke unser Blut und gefährliche Krankheitserreger können übertragen werden. Ich kann bereits ein Lied davon singen. Man könnte sich natürlich vor einer Übertragung schützen in dem man sich einfach nicht beißen lässt. In einer Anleitung zur Vorbeugung von Zeckenbissen ist zu lesen, man solle alle zwei Stunden systematisch nach den Blutsaugern fahnden.
„Hey Kay, bleib mal stehen, ich muss mich mal nach Zecken absuchen“. Natürlich, je schneller man sie entfernt, desto besser. Gut für uns, das schon so viele Läufer vor uns die Zecken mit ihren Beinen von den Gräsern pflückten.
Wir erreichen einen Feldweg, dem wir nach links folgen. Bei einer einsam stehenden Bank geniessen wir eine wunderschöne Aussicht auf das Dorf Wolfersweiler. Mir kommen die beiden Tiere Bulle und Bär in den Sinn. Diese beiden Tiere werden in der Sprache der Börsianer oft angewendet, um Grundhaltungen zum weiteren Kursverlauf auszudrücken. Ein Bär ist jemand, der auf fallende Kurse setzt, während der Bulle mit steigenden Kursen rechnet.
Genauso ist der Streckenverlauf, wie Bulle und Bär. Nach einem längeren Anstieg kommen wir zum letzten Verpflegungspunkt am Schloßberg. Wir stärken uns mit Malzbier und jede Menge süßer Kalorien. Wildromantisch und wunderschön schlängelt sich der Weg zurück zum Startpunkt unseres Laufes und wir begeben uns auf die zweite Runde. Natürlich ist der Hunsrück nicht mit den Alpen zu vergleichen. Allzu große Höhenunterschiede sind deshalb nicht zu überwinden. Und so kommen wir gut auf dem Weg zurecht. Deutschlands schönster Fernwanderweg ist weder anspruchslos noch allzu anspruchsvoll.
Leider geht es Kay von Kilometer zu Kilometer schlechter. Er hat FieBÄR und somit die Schwerfälligkeit von einem Bären. Da hilft nur BÄRCoutching. Wir werden von anderen Läufern überholt und Kay erweist uns einen Bärendienst. Denn eigentlich sollte man sich viel mehr Zeit nehmen: zum Gucken, Entspannen, tief Eintauchen in die Wälder, dachte ich noch in der ersten Runde.
In der Bärengeschwindigkeit in der wir uns nun fortbewegen, habe ich alle Zeit dieser Welt. Ich nehme jede Menge der unterschiedlichsten Schmetterlinge wahr, aber auch Bienen. Eine falsche Bewegung, und der Bienenschwarm, der mich verfolgt, wird seine Stacheln zeigen.
Im Survival Guide für das deutsche Mittelgebirge lese ich: Ergreifen Sie die Flucht, statt um sich zu schlagen! Denn wilde Bewegungen machen die Insekten noch aggressiver. O.k. das kann ich machen, aber die nächste Empfehlung ist noch besser: „Tauchen Sie ab, wenn Sie nicht mehr rennen können, verstecken Sie sich unter Wasser“. Ständig werden wir nun von Bären üBÄRholt, gejagt und schließlich erlegt.
Man kann bei diesem Lauf nach einer vollendeten Runde „umsteigen“ auf eine andere Streckenlänge und wird für tatsächlich gelaufene Distanz gewertet. Unser Glück. So sind wir zwar nicht in der Ultrawertung aber auch dieser Marathon gilt als geschafft. Während einige Läufer sich auf ihre letzte Runde begeben, sitzen wir bereits im Ziel, wo alles andere als spektakulär die Siegerehrung stattfindet.
Wir trinken noch einen Kaffee mit einem Schuss Bärenmarke bevor wir uns auf den Heimweg machen. 43 Läufer haben die 3 Runden und damit genau 64,8 km mit 2700 HM beendet. Einer davon ist Joe. Von den Empfindungen der dritten Runde können wir hier leider nicht mehr berichten. Bei Joe könnt ihr das aber nachlesen, der sicherlich noch eine Menge SchaBÄRnack zu berichten hat. Und was ist der Unterschied zwischen einem Bär und einem Bärchen? Joe geht anschließend noch auf eine Party und ich ins Bett. In der Nacht sehe ich den Großen und den Kleinen Bär am Himmel.
Unser Tipp: Der Lauf ist geprägt von 80% Single-Trailpfaden mit Treppen, Stegen, auf und über den Bärenfels-und vorbei an der Bärenfelshöhle! Dies ist kein Lauf von der Stange und neue Laufbekanntschaften sind garantiert. Ein liebevolles familiäres Ambiente bei der Familie Feller und dem Bärenfels-Team, kombiniert mit guter Unterkunft, Essen und einer doch knackigen Laufstrecke. Wir können euch diesen Lauf empfehlen. Und am 24. Dezember 2011 könnt ihr ja auch mal eure Familie einladen um am 10. Bärenfels-Heiligabendlauf mit den Streckenlängen 8,5 km oder dem Marathon teilzunehmen. Ich wette, das wird im Anschluss des Laufes eine friedliche Bescherung geben.