Black Forest Trailrun Masters 2012
Schwarze Wälder und kalte Herzen
In den USA gibt es eine Menge „Schwarze Wälder“: Black Forest Colorado, Black Forest Georgia, Black Forest Kalifornien und Black Forest Nevada. Ganz so weit ist unsere Anreise nicht. Genau genommen 280 Kilometer bis zur Ausfahrt Freiburg und wir sind im guten alten deutschen Schwarzwald.
Es ist noch gar nicht lange her, da war der Schwarzwald eine düstere Gegend. Die Römer und Goethe mieden den Schwarzwald, denn vor der geheimnisvollen Dunkelheit und den dichten Tannen der „silva nigra“ hatten alle größte Ehrfurcht. Auch waren die Alemannen als ein abweisender, tief grüblerischer Menschenschlag bekannt.
Ausgebucht!
„Wir sind ausgebucht!“. Immer häufiger passiert uns das bei der Anmeldung. Immer früher im Jahr muss man sich schon für –zumindest ausgefallene- Marathons, Ultramarathons oder Etappenläufe entscheiden. Noch sehr viel schneller ist dies bei beim Triathlon der Fall. Ein Beispiel: Möchte man beim IRONMAN in Frankfurt starten, so muss man sich bereits für das übernächste Jahr anmelden. Zum klaren Verständnis, der diesjährige IRONMAN ist noch nicht absolviert und ich soll schon vorher entscheiden ob ich das dann im nächsten Jahr auch noch möchte. Vor einigen Jahren wurde sogar eine Versicherung angeboten, um bei Krankheit oder ähnlichem das doch sehr hohe Startgeld auch noch kurz vor dem Event zurückzubekommen. Aber diese Zeiten sind lang vorbei und die Startgebühren werden höher und höher. Noch ein Beispiel: Bevor überhaupt die komplette Urlaubsplanung für das nächste Jahr mit den Vorgesetzten oder Kollegen besprochen werden kann, muss ich mich aber schon mal sicherheitshalber zum Berlin Marathon anmelden. Denn auch hier heißt es bereits:
„Wir sind ausgebucht!“
Erst zum dritten Mal findet im Rahmen des Panoramalaufes Zweitälerland der Black Forest Trailrun Masters in Simonswald statt und schon heißt es auch hier: „Wir sind ausgebucht!“ Wir haben diesmal Glück gehabt. Vielleicht zu schnell habe ich auf den Anmeldebutton gedrückt und die Anmeldung abgesendet. Nach dem Motto: „Ist die Anmeldung erst raus, hält sie niemand mehr auf“. Heute bin ich mir nicht sicher, ob ich mir bei der Anmeldung die „Spielregeln“ für diesen Event richtig betrachtet hatte. Da heißt es: „Beide Rundkurse sind höchst interessant und bieten herrliche Aussichten in die Rheinebene, auf die Vogesen, den Feldberg und über die Höhenzüge des Schwarzwaldes“. Das hört sich doch nach einem schönen Schwarzwaldspaziergang an und liest sich schon mal schön. Keine Frage, da muss man sich doch anmelden, oder?
Weiter unten, jedoch nicht im Kleingedruckten, heißt es: „Der Black Forest Trailrun Masters ist ein Zweitageslauf über eine Distanz von insgesamt 85,8 km und 3540 Höhenmeter (Nordwest-Route), das bedeutet am Samstag, den 19. Mai werden 58,7 km mit 2400 Höhenmetern und am Sonntag, den 20. Mai werden 27,1 km mit 1140 Höhenmeter gelaufen. Beide Laufzeiten zusammen ergeben die Wertung zum Black Forest Trailrun Masters“. Das klingt bitter! Aus der Nummer komme ich wohl nicht mehr raus?
„Wir sind ausgebucht!“
„Leider können wir Ihnen zu diesem Zeitpunkt kein Zimmer mehr anbieten da wir schon ausgebucht sind“. Unzählig oft habe ich diesen Satz am Telefon zu hören bekommen. Auch hier die Devise, wer aufgibt bekommt kein Zimmer, aber immerhin ist noch genügend Platz in der hintersten Ecke einer schönen Schulturnhalle. Massenquartier für 10 EURO und immerhin befindet man sich hier direkt im Start- und Zielbereich und Frühstück inklusive.
Hier treffen sich die Trailläufer und wir freuen uns, viele bekannte Gesichter wiederzusehen: Claudia und Christina vom Sahara Lauf, Sybille vom Saar-Hunsrück-Supertrail, Mario vom TRANSALPINE-RUN und Andrea von den 4 TRAILS. Die Abholung der Startunterlagen ist kurz und schmerzlos. Mit dem Starterpaket erhalten wir zwei Startnummern. Für Samstag in Schwarz, für Sonntag in Rot. Auf der roten Startnummer befindet sich ein Transponder, denn am Sonntag, bedingt durch den Halbmarathon und den 10 Kilometerlauf, wird es auf der Strecke voll werden.
Wir bekommen eine detaillierte Streckenbeschreibung, leider nicht als Karte und ohne Angabe von Kilometern. Auf dieser Karte befinden sich die Notfalltelefonnummern und eine Auflistung der vorgegebenen Richt- und Durchgangszeiten. Ein grünes Event-Shirt welches mit weißen Lettern auf dem Rücken uns bereits im Vorfeld als Trailrun-Master 2012 ausweist, ist für jeden Läufer ebenfalls dabei.
Samstag, Briefing um 7:45 Uhr
Uns empfängt Hans Maier, der Organisator der Veranstaltung. Mit seiner freundlichen Stimme gibt er den Ton an. Viele sind noch verschlafen, zerknittert und andere schauen sogar mürrisch. Die Mehrzahl der Langlaufbegeisterten vermitteln mit jedoch das Gefühl, vor Energie nur so zu strotzen. Ich bin eher verängstigt. So wie halt jemand aus der Wäsche schaut, der sich für einen Ultratrail, für den es auch noch die begehrten UTMB-Qualifikationspunkte gibt, angemeldet hat und nun am Start steht und dabei noch nicht einen einzigen klitzekleinen Berglauf für dieses Jahr ablegt hat. Höchste Zeit also, dass es nun wieder hochhinaus geht.
Flach wie ein Pfannkuchen waren unsere Läufe in diesem Jahr. Das war so nicht geplant, aber wen interessiert das hier schon? Ich möchte es trotzdem erklären: wie wir diesen Schwarzwald-Trail auf unsere interne Wunschliste gesetzt haben, dachten wir noch an einen Start beim TRANSALPINE-RUN 2012. Auf der Homepage leuchtete uns völlig unerwartet entgegen: „Wir sind ausgebucht“!
Keiner zwingt uns heute beinahe 60 Kilometer zu laufen, wir könnten natürlich auch „nur“ an einer einzelnen Tagesetappe starten, aber das passt nicht zu uns. Außerdem darf sich Master nur der nennen, der beide Distanzen gelaufen ist. Also nicht nur der, der das Alter und die Altersklasse dafür erreicht hat.
Nur das Nötigste haben wir dabei: Im Rucksack befindet sich die Getränkeblase und einige Energieriegel. Dieses ist außerordentlich wichtig, da es nur alle 10 Kilometer eine Verpflegungsstation geben wird. Vielleicht sagen jetzt einige: „Na ja, alle 10 Kilometer ca. 1 Stunde, das ist doch ausreichend“. Vielleicht, aber nicht bei diesen Höhenmetern. Da können 10 Kilometer zeitlich ungeplant richtig lang werden. Ein Notfallset, Kamera und Akkus sowie eine dünne Jacke füllen den Rucksack auf.
Start: 8:00 Uhr
Grauer Himmel, ab und zu zeigt sich die Sonne, es weht eine leichte Brise, dreiundzwanzig Grad. Simonswald ist ein staatlich anerkannter Erholungsort und tatsächlich herrscht ein mildes Klima. Ideales Läuferwetter.
Die Deutsche Uhrenstraße verläuft durch den Ort und für uns läuft die Zeit ab jetzt. Hinter dem Tennisplatz von Simonswald laufen wir auf den „Staubfreier Weg“ (Wilde Gutach). Trail-Laufen auf einem staubfeien Weg? Der wurde nicht extra gekehrt für uns, der heißt tatsächlich so. Weiter geht es über die Ochsenbrücke in den Ochsenwaldpfad. Bis wir jedoch Ochsen zu sehen bekommen, vergehen noch einige Stunden. Der erste steile Anstieg beginnt bereits nach wenigen Laufminuten.
Noch sind die Läufer beieinander und wir schrauben uns langsam gemeinsam nach oben von 362 Metern auf 500 Meter im in den Ochsenwald. Ein lichter Vorhang aus frischem Grün schließt sich hinter uns. Die Geräusche der Ortschaft ebben ab. Vor uns, um uns, hinter uns nur Wald. Und was für einer! Der Wald leuchtet.
Die neuen Blätter haben sich bereits entfaltet. Am Ende des Waldes träumt eine Wildblumenwiesen im Licht der Mittagssonne vor sich hin. Auf Forstwegen geht es angenehm bergab. Wir haben andere Läufer immer noch in Sichtweite. Relativ schnell hat sich das mit dem angenehmen bergablaufen auch schon wieder erledigt. In weiter Ferne sehen wir die Spitze des Feldberges im Schnee. Es dauert nicht lange, da haben wir auf dem Weg auch Schnee, zugegeben fast nicht mehr der Rede wert.
Wir nehmen das durchdringende Kreischen einer Motorsäge wahr. Sie verstummt abrupt, ganz unvermittelt ist es wieder still. Dann ein Knirschen, das zum splitternden Krachen wird: Hier stirbt ein Baum, ein stattlicher und garantiert sehr alter. Er stürzt, sein Stamm fällt, abgerissene Äste fliegen durch die Luft, dann schlägt er auf. Wir sehen noch die Wunde.
Naturschutz
Schnell stellt sich heraus, dass dieser Lauf etwas für wanderfreudige, strapazierfähige Teilnehmer ist. Wer an dieser Stelle noch rennen kann, der ist drei Stunden vor uns im Ziel.
Wer allerdings die Strecke mit geöffneten Augen läuft oder wie wir gerade wandert, ohne viel Lärm zu machen, könnte Hasen, Rehe und interessante Vögel, die wir aber wenigstens hören, zu sehen bekommen. Naturschutz ist übrigens auch der Grund, warum das Teilnehmerlimit für den Trail auf etwa 100 beschränkt ist.
Ein Schwarzwaldhof, wie gemalt: aus den offenen Fenstern hängt die blau-weiße Bettwäsche in der Sonne, unter dem Fenster hat es sich eine Schafherde gemütlich gemacht. Wir kommen nur sehr langsam voran. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bekomme keinen Fuß mehr vor den anderen.
Es ist schwül. Kreislaufwetter! Die Augen brennen, Salz läuft von der Stirn hinein. Das Laufshirt ist unter dem Rucksack durchweicht und meine Füße jetzt auch. Einen Moment geträumt und schon in ein Wasserrinnsal getreten. Nicht darüber nachdenken, weiterlaufen. Die Stimmung ist gut.
Keine Chance sich zu verlaufen, denn die Strecke ist sehr gut und komplett ausgeschildert. Ein Ortskundiger könnte uns allerdings die Stelle zeigen, an der wir bis zu den Vogesen sehen könnten. Aufwärts am Obernonnenbachhof vorbei. Die zweite Verpflegungsstelle liegt in der Sonne. Es weht ein kühler Wind um unsere schweißnasse Kleidung. Wir sind auf 1150 m ü. NN. Hier befindet sich der Berggasthof Brend. Wir laufen auf dem unteren Rosskopfweg bergab. Der Fernblick wieder in Richtung Feldberg. Sonne und Schatten wechseln sich ab.
Ein Stück weiter verschluckt dichter Wald die Straße. Forstgeräte haben vor uns eine tiefe Reifenspur hinterlassen auf der wir jetzt mehr schlecht als recht versuchen uns abwärts durchzupflügen. Baumleichen versperren den Weg. Das darüber klettern nach fast 30 Kilometern ist ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Wir gelangen an einem „Kamm-Pfad“ zwischen dem 1146 m ü. NN hohen „Ibichkopf“, den 1072 m ü. NN hohen „Schultiskopf“ und den 922 m ü. NN hohen “Höllkopf”.
An der letzten Verpflegung gab es leider kein Wasser mehr, nur noch ISO. Also nehmen wir eine leere Plastikflasche mit und hoffen, an dem nicht weit entfernten Wasserfall eine Stelle zu finden, an der wir unsere Getränkeblase auffüllen können.
Es geht steil bergauf. Die Steine sind voll Moos, es wird angenehm kühl. Der Weg ist feucht und rutschig. Der Bach wird immer reisender je steiler es bergauf geht. Aus dem Bach wird ein kleiner Wasserfall. Nach etwa einem Kilometer haben wir die ideale Wasserstelle zum Auffüllen unserer Wasserspeicher erreicht. Sehr steil geht es mühsam aufwärts. Durch tiefe düstere Schluchten vorbei an einem tosenden Wasserfall und mächtigen bemoosten Felsen und Klippen auf der einen Seite und gurgelnde Bäche auf der anderen Seite. Leicht kann man sich den Ort vorstellen, an dem sich die Tragödie um das „Kalte Herz“ abgespielt haben muss.
Überdies, wer sich so einen Lauf einfallen lässt, der kann nur ein kaltes Herz haben. So wie Wilhelm Hauff den Finsterwäldnern einen festeren und auch rauheren Mut nachsagte, als dem Rest der Welt. Er meint jedoch, dass dies am starken Duft liegt, der morgens durch die Tannen weht. Wie in der Waldgeisterfarbel duftet der Tannenwald tatsächlich nach Moos und Feuchtigkeit.
Wir laufen wie in eine versunkene Zeit, als diese Wälder vor allem von Glas- und Uhrenmachern mit Pluderhosen und spitzen Hüten bewohnt war. Mächtig waren die „Holzherren“ und Flözern, die in ledernen Hosen und schenkelhohen Stiefeln die menschendicken Stämme der Tannen flusswärts bis in die Häfen Hollands führten. Wir laufen über eine kleine alte Holzbrücke, an der nicht mehr alle Planken vollständig sind. Wir sind allein, mitten im Schwarzwälder Urwald. Grüner geht’s nicht. Der Weg ist sehr anspruchsvoll und steinig.
Eine Frau wird von ihrem Mann mit dem Mountainbike bekleidet. Auch er kommt trotz seiner vielen Gänge nicht weiter und muss schieben. Die Frau läuft ihm davon (und ist später vor ihm im Ziel).
Vierter Verpflegungspunkt und 40 Kilometer sind geschafft am Yacher Höhenweg. Wir schrauben uns nun mal wieder nach oben, gefühlt kilometerlang. Oben eröffnet sich uns ein Blick auf weite Landschaften: bunte Wiesen, viel, viel Wald in allen Nuancen der Grün-Skala, von Lindgrün bis Schwarzgrün. Zu den gelben Butterblumen kommen die quietschgelben Markierungen am Weg.
Massentourismus gibt es hier nicht. Nur selten treffen wir auf andere Läufer. Eine Läuferin mit einem gelben Rucksack holen wir langsam ein. Ihre Gesichtszüge sind von den Anstrengungen gezeichnet. Einen Augenblick später sind wir wieder allein. Nicht alleine war die erste Alpinistin im Jahr 1838. Henriette d’Angeville bestieg als erste Alpinistin den Montblanc. Das Ziel erreichte sie nur mit Hilfe von sechs Bergführern und zehn Kofferträgern; Sie schleppten vierundzwanzig Brathähnchen, zwei Hammelkeulen, zwei Lendenbraten sowie ein Fass Tafelwein auf den höchsten Berg Europas.
Hoch, höher, am höchsten
Tatsächlich hat jeder seine eigene Motivation, warum er hier läuft. Zugspitzlauf 100 KM, 250 KM Wüstenlauf in Chile oder beim Irontrail wo die 200er-Grenze in alpinem Gelände überschritten (nonstop) wird. „Die 58 Kilometer hier sind doch nur ein kleines Training“. Aber auch für gut trainierte Bergläufer ist dies mehr als eine regenerative Fitnesstour. Auch ich mutiere heute von der „Schreibtischtäterin“ zum Wochenend-Trail-Runner. Die Steigungsprozente klettern mit dem Herzschlag, der sich hämmernd am Hals abzeichnet: Die erste Bewährung, Laktat wird in die Schenkel geschüttet.
Die langen Schritte werden kürzer, wir tippeln nur noch, während der Blick am Boden klebt. Die Stunden vergehen. Auf dem Weg zur inneren Einkehr befinden wir uns am Nachmittag, als wir den extrem steilen Anstieg als eine Art Wallfahrt auf uns nehmen. Auf dem 907 m ü. NN hohen „Hörnleberg“ befindet sich die Wallfahrtskapelle „Unsere Liebe Frau“. 1493 wurde die Kirche erstmals erwähnt. Sie musste jedoch wegen kriegerischen Verwüstungen, Blitzeinschlägen und auch Brandstiftungen immer wieder neu aufgebaut werden.
Nun stehe ich für einen Moment in dieser Kirche und schicke ein Stoßgebet gen Himmel um die letzten 10 Kilometer auch noch zu Ende zu bringen. An der Rückseite der Kirche erwarten uns die Sanitäter des Roten Kreuzes mit leckerem Nusskuchen. Unsere Startnummern werden notiert und schon laufen wir weiter. Nebenbei stecke ich mir einen gelben Salzbonbon in den Mund. Ursprünglich als Scherzartikel gedacht, sind wir hier froh diese zu bekommen auch wenn man sich an diesen außergewöhnlichen Geschmack von Salz und Zucker im Mund erst gewöhnen muss. Nicht auszudenken, wir hätten diese Bonbons mit Senf gefüllt angeboten bekommen. Aber auch die letzten zehn Kilometer bekommen wir nicht geschenkt, einer Bergab-Passage folgt die nächste Bergauf-Passage.
Nirgendwo ein Misthaufen
Vereinzelt stehen Schwarzwaldhäuser, jedoch einen Misthaufen entdecke ich nicht, anders als Mark Twain (1835–1910). Er machte auf seinen Wanderungen durch die Wälder des Schwarzwalds eine bemerkenswerte Entdeckung bezüglich Misthaufen. Wörtlich hielt der Weitgereiste Schriftsteller fest: „Im Schwarzwald wurden wir mit diesem Düngemittel sehr vertraut. Unbewusst gewöhnten wir uns an, die gesellschaftliche Stellung eines Mannes nach diesem ins Auge fallenden, aufschlussreichen Kennzeichen zu beurteilen. Manchmal sagten wir: ‚Das ist offensichtlich ein armer Teufel.’ Wenn wir eine stattliche Anhäufung sahen, sagten wir: ‚Das ist ein Bankier.’ Wenn wir zu einem Landsitz kamen, der von einer alpenähnlichen Dungpracht umgeben war, sagten wir: ‚Zweifellos wohnt hier ein Herzog.’“
Heute wird der Reichtum nicht nach der Größe eines Misthaufens beurteilt, sondern nach ganz anderen Dingen. Zum Beispiel dem Bauernhaus mit Solaranlage.
Gehst du noch. . .
…oder bist du schon im Ziel? Die letzten Kilometer an diesem Tag liegen vor uns – das Ziel ist greifbar nah. Ein letztes Mal hoch, ein letztes Mal runter nur noch ein kleiner Trail und eine steile Wiese. Gudrun, klagt über brennende Oberschenkel beißt sich aber durch. Mal wieder fast eine Punktlandung hingelegt. 4 Minuten noch bis zum offiziellen Zielschluß. Dessen ungeachtet blieb das Ziel noch sehr viel länger offen und auch die Läuferinnen und Läufer, die nach uns das Ziel erreichten, kommen noch in die Wertung.
So finster die Wälder schlummern, so unheimlich die Fastnachtsbräuche in dieser Gegend auch waren, heute gilt der Schwarzwald als Traumkulisse für Kliniken und Klischees. Klar, viele haben diesen Lauf unterschätzt: „Ist doch nur der Schwarzwald“ oder „was soll hier schon sein?“. Auch ich und besonders meine geschundenen Füße sind nach der stundenlangen, wohlgemerkt freiwilligen Schinderei, einfach nur froh, nichts anderes tun zu müssen, als unter der heißen Dusche zu stehen und dankbar zu sein für die himmlische Tatsache, dass wir heute nicht mehr weiterlaufen brauchen.
TAG 2: Sonntag
Mühsam müssen wir uns aus unseren Betten hochrappeln. Mittlerweile weiß ich, wie ich mit solchen Momenten umzugehen habe: Ein Ruck, und ich stehe auf, mache mich fertig und schleiche mit schmerzenden Oberschenkeln los.
Die Füße immer noch wund, jeder Schritt wird zur Qual. Noch einmal heißt es Kräfte mobilisieren. Ungeachtet der gestrigen Erfahrung habe ich heute meine Stöcke trotzdem wieder im Auto gelassen. Dies werde ich im Laufe der nächsten Stunden hin und wieder bereuen.
Heute laufen wir den „Panoramatrailrun“ mit 27,1 Kilometern und 1140 Höhenmeter. Start und Ziel ebenfalls wieder in Simonswald. Schon nach wenigen Minuten geht es aufwärts. Es folgt ein ständiges “Auf- und Ab”.
Die Spitze der Halbmarathonläufer (Panoramalauf) rast an uns vorbei. Der „Panoramatrailrun“ unterscheidet sich vom „Panoramalauf“ nicht nur durch die Kilometer, sondern auch am Geläuf der Strecke. Sofort spüren wir unter den Füßen, wann wir uns auf der identischen Streckenführung des Halbmarathons befinden bevor wir wieder in den tiefen Wald hineingeleitet werden.
Teilweise ist das Panorama so phantastisch, dass wir sehen, wo wir hin laufen müssen und gleichzeitig, wo wir hergekommen sind. Im Gegensatz zur gestrigen Etappe sind heute viele lange Strecken gut zu rennen. Nach „knackigen“ Steigungen folgt meist eine überwiegend leicht zu laufende Strecke.
Natural High
Kann man das „Natural High“ mit künstlichen Drogen gleichsetzen? Müsste ich auf die Droge Natur verzichten, würde ich krank werde? Farn sprießt in den bemoosten Felsenwänden. An jeder Kehre bieten sich uns neue atemberaubende Einblicke hinunter in den schroff abfallenden Hangwald. Den Moderator hört man bereits bis hier hoch. Letzte Verpflegung und nur noch 2 Kilometer abwärts.
Wir kommen auf die Strecke von gestern. Ein letztes Mal hoch, ein letztes Mal runter, nur noch ein kleiner Trail und eine steile Wiese und…
Wir haben es geschafft
Im Ziel sind alle Schmerzen vergessen. Diese zwei Tage waren kräftezehrend und anstrengend, aber die Natur, die Organisatoren und Helfer vom TLV Simonswald entschädigen uns für die freiwilligen Strapazen. Jetzt hält uns nichts mehr, wir wollen beim UTMB starten, nein, nicht 2012, denn da heißt es bereits: „die Anmeldung ist geschlossen“ und für 2013 reichen auch nicht mehr nur 5 Qualipunkte sondern 7 (durch maximal drei Läufe!). Also haltet euch ran…
RESÜMEE: Nicht immer ist Trail drin, auch wenn Trail darauf steht. Beim Blackforest Trailrun Masters bekommst du viel Trail für kleines Geld. Mit Recht heißt es: „Das Lauferlebnis in einem der schönsten Täler im Herzen des Schwarzwaldes. Wir haben einiges zu bieten“. Selber machen, sonst hast du keine Ahnung, das ist meine Devise! Wer diesen Lauf erleben möchte, der sollte nicht zögern sich anzumelden, bevor es am Ende heißt: „wir sind ausgebucht!“